Zürich – Der Schweizer Aktienmarkt hat am Mittwoch deutlich schwächer, aber klar über dem Tagestief geschlossen. Im Verlauf konnte der Markt einen Teil der Verluste dank Unterstützung von einzelnen defensiven Schwergewichten wettmachen. Händler beschrieben die Stimmung allerdings als getrübt, geprägt von Konjunktursorgen, Dividendenkürzungen und Gewinnwarnungen.
Nach der jüngsten Erholung seien die Hoffnungen gross gewesen, dass der Markt nun einen Boden gebildet haben könnte. Die Anleger hätten stattdessen wieder in den «Angstmodus» geschaltet. «Wir erlebten einen schlechten Start ins zweite Quartal», sagte ein Händler und verwies dabei auf die rasante Ausbreitung des Coronavirus in der weltgrössten Volkswirtschaft. Die USA gelten inzwischen als das neue Epizentrum der Pandemie. Daher würden auch die Prognosen für die Weltwirtschaft immer negativer – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Börsen.
Der SMI schloss nach zwei festeren Sitzungen um 1,54 Prozent tiefer auf 9’168,98 Punkten. Im Verlauf war der Leitindex bis 9’037 Punkte gefallen. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, sank um 2,25 Prozent auf 1’330,56 und der breite SPI um 1,11 Prozent auf 11’194,22 Zähler. 25 der 30 SLI-Titel gaben nach und fünf legten zu.
Stark unter Druck standen die «üblichen Verdächtigen»: konjunktursensitive Aktien, denen Rezessionssorgen zu schaffen machten und Finanzwerte, die unter der Angst vor Kreditausfällen und schrumpfende Gebührenerträgen leiden.
Im SLI büssten AMS 9,1 Prozent ein und fielen auf den tiefsten Stand seit 2012. Die Österreicher haben bei einer Kapitalerhöhung zur Finanzierung des milliardenschweren Osram-Kaufs nur 70 Prozent der neuen Anteile im Rahmen der Bezugsrechtsemission untergebracht. Der Rest der Anteile steckt jetzt bei den Banken, u.a. bei der UBS.
Die Osram-Aktien rutschten derweil in Frankfurt auf rund 30 Euro hinunter. Der Übernahmepreis beträgt aber 41 Euro. Nach Ansicht von Analysten könnte nun die nächste Fairness-Opinion für den Wert der restlichen Osram-Aktien wegen der Virus-Krise deutlich unter den letztmals ermittelten 35 Euro liegen.
Dahinter folgen die Aktien des Rückversicherers Swiss Re (-6,7%). Rivale Münchener Rück hat für das laufend Jahr die Gewinnziel kassiert. Der Personalvermittlers Adecco (-6,2%) und des Luxusgüterherstellers Richemont (-5,0%) standen ebenso unter Druck wie der Lebensversicherer Swiss Life (-5,4%) oder der Bankensoftwarehersteller Temenos (-4,9%).
Die Grossbankenaktien Credit Suisse (-5,5) und UBS (-4,6%) sackten ebenfalls deutlich ab. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht hatte am Vortag betont, dass Banken, die Dividenden ausschütten, weniger stark von Erleichterungen bei den Kapitalvorschriften wegen der Coronakrise profitieren sollen. Die Grossbanken geraten also zwischen Hammer und Amboss. Auch der Vermögensverwalter Julius Bär (-6,0%) tendierte schwach.
Zykliker wie ABB (-4,4%), Clariant (-4,2%) und Swatch (-4,0%) flogen ebenfalls aus den Depots. Geberit (-3,3) und Sika (-2,3%) schlugen sich dagegen recht wacker.
Bei den defensiven Werten stachen der Pharmakonzern Roche (+1,5%) und der Lebensmittelriese Nestlé (+0,4%) positiv hervor. Am Vorabend hatte L’Oréal seine Prognose wegen der Coronavirus-Pandemie zurückgezogen. Nestlé hält eine signifikante Beteiligung am weltgrössten Kosmetikhersteller. Zudem kauft Nestlé Purina Petcare den britischen Tierfutterhersteller Lily’s Kitchen. Roche-Konkurrent Novartis (-1,2%) verlor dagegen an Wert.
Den stärksten Anstieg aber verbuchten Kühne+Nagel (+5,3%). Händler erwähnten Übernahmefantasien. Der Konzern hatte bereits an der Bilanzmedienkonferenz einen grossen Zukauf in Asien angekündigt. Zudem hat die Kühne Holding diese Woche ihren Anteil an der Hamburger Linienreederei Hapag-Lloyd deutlich aufgestockt. Am Markt hiess es, möglicherweise läuteten schon bald die Hochzeitsglocken. Positiv für Spediteure sei zudem, dass in China die Wirtschaft wieder hochgefahren werden soll.
Am breiten Markt brachen die Aktien des Reisedetailhändlers Dufry (-16%) ein. UBS hatte das Kursziel um nahezu zwei Drittel zusammengestrichen.
Straumann verloren 4.4 Prozent. Ein Händler sagte, es gebe Befürchtungen, dass der Dentalimplantathersteller kommende Woche an der Generalversammlung sich zurückhaltend über die weiteren Aussichten oder «sonst wie negativ» äussern könnte. (awp/mc/pg)