Zürich – Der Schweizer Aktienmarkt hat am Dienstag vor dem Hintergrund neuer Hiobsbotschaften aus Japan deutlich tiefer geschlossen, jedoch in der zweiten Handelshälfte einen Teil der Verluste abbauen können. Die Angst vor einem atomaren GAU, immer neue Schreckensmeldungen zu den ausser Kontrolle geratenen AKW-Reaktoren in Fukushima liessen die Kurse sinken. «Die Börse goutiert Unsicherheit nicht», sagte ein Händler dazu. «Der Markt wird derzeit von der Panik getrieben. Die ganze Palette wird verkauft. Es spielt keine Rolle, ob das Unternehmen mit Japan zu tun hat oder nicht», so der Marktteilnehmer weiter.
Und solange die Unsicherheit da sei, dürfte es weiter nach unten gehen. Ein möglicher Fall der psychologisch wichtigen SMI-Marke von 6’000 Punkten könnte noch einige Stopps auslösen, sagte der Marktteilnehmer. Etwas gestützt wurde der hiesige Aktienmarkt, wo der Leitindex zeitweise über 4% verloren hatte, von der US-Börse, wo sich die wichtigsten Titel nach einer schwachen Erholung von den Tiefstständen lösen konnten.
Der SMI schloss um 2,76% tiefer auf 6’101,01 Punkten und damit mehr als 90 Punkte über dem Tagestief von 6’009,09. Der 30 Titel umfassende, um die Gewichtung gekappte Swiss Leader Index (SLI) verlor 2,74% auf 977,47 Stellen und der breite Gesamtmarkt (SPI) büsste 2,70% auf 5’542,25 Punkte ein.
Tagesverlierer bei den Bluechips waren Clariant (-4,5%). Der zyklische Sektor sei mit Abgaben konfrontiert, da die globale Wirtschaftsentwicklung durch die Ereignisse in Japan belastet werde, so Händler. ABB sanken um 3,5% und Adecco um 3,3%.
Über den grössten Teil des Tages notierten jedoch die Papiere des Luxusgüterkonzerns Richemont (-3,7%) mit den grössten Abgaben und fielen teilweise um mehr als 7,5%. Der Industrie steht eine rückläufige Nachfrage aus Japan bevor, fürchten Händler. Japan ist für 11% des Luxusgüterabsatzes verantwortlich, weitere 10% sind auf japanischen Tourismus im Ausland zurückzuführen. Ob diese Lücke durch andere Märkte wie China, Indien, Brasilien oder Russland aufgefangen werden kann, ist gemäss Experten sehr fraglich. Swatch verloren 3,7%.
Die Versicherungswerte blieben mit den Folgen des Erdbebens und Tsunamis in Japan sowie der nuklearen Katastrophe im Fokus. Swiss Re gaben um weitere 1,7% nach und ZFS notieren 2,9% tiefer. Marktteilnehmern zufolge hat sich aber die Lage für die Versicherer durch die Verschärfung der Lage im Fukushima nicht verschlimmert.
Auch Bankaktien lagen im Angebot: Credit Suisse verloren 2,8%, UBS 2,3% und Julius Bär gar 3,7%. Der Kurseinbruch in Japan schlage tiefe Kerben in den Handelsbüchern der Banken, erklärten Marktbeobachter. Zudem sei Julius Bär unter die 200-Tageslinie gefallen, erklärte ein Händler weiter.
Bei den defensiven Titeln war das Bild uneinheitlich. So haben Novartis (-1,2%) und Roche (-2,7%) einen Teil der Verluste, welche die Papiere im frühen Handel erlitten hatten, in der zweiten Handelshälfte abbauen können. Das Schwergewicht Nestlé (-3,7%) hatte diese hingegen ausgeweitet und damit die Erholung des SMI deutlich abgebremst.
Auch im breiten Markt blieb die japanische Krise nicht ohne Folgen. Hier profitierten vor allem Unternehmen, welche im Bereich der erneuerbaren Energien tätig sind. So stiegen die Papiere der Meyer Burger um 3,4% und die Aktien des Solarstromproduzenten Edisun Power gar um 58%.
Auf der anderen Seite litten die Aktien der Energieversorgerin BKW (-7,1%) erneut unter der neu entfachten AKW-Diskussion. BKW betreibt das Kernkraftwerk Mühleberg, das älteste der Schweiz.
Auch die Aktien diverser Schweizer Automobilzulieferer büssten überdurchschnittlich an Terrain ein. Die Anleger wurden von der zeitweiligen Einstellung der Produktion durch verschiedene Automobilhersteller in Japan aufgeschreckt. Die Dauer der Produktionsunterbrüche ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. In der Folge sanken Schmolz + Bickenbach um 6,5%, Komax um 6,1%, Rieter um 7,8%, Micronas um 6,1%, Georg Fischer um 4,2% und Ems-Chemie um 2,4%.
Weiter hatten mehrere Unternehmen Jahreszahlen präsentiert, darunter Lindt&Sprüngli (PS -0,2%; N +1,4%), Galenica (-3,6%), Huber + Suhner (-2,6%) sowie die VP Bank (-0,3%). (awp/mc/ps)