Zürich – Der Schweizer Aktienmarkt hat seine Verluste bis zum Dienstagmittag vor dem Hintergrund neuer Hiobsbotschaften aus Japan deutlich ausgeweitet. Die Angst vor einem atomaren GAU und immer neue Schreckensmeldungen zu dem ausser Kontrolle geratenen Reaktor in Fukushima lassen die Kurse weiter sinken. «Die Börse goutiert Unsicherheit nicht», sagte ein Händler dazu. Immerhin hätten sich aber bis zum Mittag die Handelsvolumen wieder etwas beruhigt, sagte er.
«Der Markt wird derzeit von der Panik getrieben. Die ganze Palette wird verkauft. Es spielt keine Rolle, ob das Unternehmen mit Japan zu tun hat oder nicht», so der Marktteilnehmer weiter. Und solange die Unsicherheit da sei, dürfte es weiter nach unten gehen. Ein möglicher Fall der psychologisch wichtigen SMI-Marke von 6’000 Punkten könnte noch einige Stopps auslösen, sagte der Marktteilnehmer: «Das könnte erneut ein paar hundert Punkte kosten», sagte der Händler.
Bis um 12 Uhr sinkt der SMI um 3,33% auf 6’065,76 Punkte, das Tagestief wurde bei 6’009,09 Einheiten notiert. Der 30 Titel umfassende, um die Gewichtung gekappte Swiss Leader Index (SLI) steht 3,80% tiefer auf 966,82 Stellen und der breite Gesamtmarkt (SPI) büsst 3,52% auf 5’495,39 Punkte ein.
Die grössten Abgaben gehen zum Berichtszeitpunkt auf die Aktien des Luxusgüterkonzernes Richemont (-6,2%). Der Industrie steht eine Abnahme der Nachfrage aus Japan bevor, fürchten Händler. Japan ist für 11% des Luxusgüterabsatzes verantwortlich, weitere 10% sind auf japanischen Tourismus im Ausland zurückzuführen. Ob diese Lücke durch andere Märkte wie China, Indien, Brasilien oder Russland aufgefangen werden kann, ist gemäss Experten sehr fraglich. Swatch verlieren 4,2%.
Versicherungswerte bleiben mit den Folgen des Erdbebens und Tsunamis in Japan sowie der nuklearen Katastrophe im Fokus. Swiss Re geben um weitere 4,2% nach und ZFS notieren 3,9% tiefer. Marktteilnehmern zufolge hat sich aber die Lage für die Versicherer durch die Verschärfung der Lage im Fukushima nicht verschlimmert. Swiss Re habe bereits am Vortag erläutert, dass bei der Versicherung von Nuklearanlagen in Japan Schäden durch Erdbeben, Tsunamis und durch Erdbeben ausgelöste Brände ausgeschlossen sind.
Auch Bankaktien liegen im Angebot: Credit Suisse verlieren 3,3%, UBS 3,7% und vor allem Julius Bär 6,0%. Der Kurseinbruch in Japan schlage tiefe Kerben in den Handelsbüchern der Banken, erklärten Marktbeobachter. Julius Bär sei unter die 200-Tageslinie gefallen, erklärte ein Händler die hohen Abgaben.
Mit deutlichen Kursabschlägen werden auch die zyklischen Sektoren gehandelt, da die globale Wirtschaftsentwicklung durch die Ereignisse in Japan belastet werde, so Händler. ABB sinken um 4,5%, Transocean um 4,4%, Clariant um 4,5% und bum 4,2%.
Die defensiven Papiere haben ihren Bonus aus dem frühen Geschäft ebenfalls verspielt: Allen voran Novartis büssen mit 4,0% mehr als der Gesamtmarkt ein. Roche verlieren 3,5% und Nestlé 2,3%.
Im breiten Markt haben verschiedene Unternehmen Jahreszahlen gezeigt; darunter Lindt&Sprüngli (PS -0,1%; N -0,6%), Galenica (-3,4%), Huber + Suhner (-8,0%) sowie die VP Bank (-7,6%).
Aktien von Unternehmen, welche im Bereich der erneuerbaren Energien tätig sind, steigen weiter. So steigen etwa Meyer Burger um 4,2% und die Solarstromproduzentin Edisun Power um 27,9%. Schweiter ist ein Zulieferer für die Windindustrie; die Papiere ziehen um 0,4% an.
Auf der anderen Seite leiden die Aktien der Energieversorgerin BKW (-8,9%) erneut unter der neu entfachten AKW-Diskussion. Der Bundesrat hat gestern die laufenden Verfahren bei den Rahmenbewilligungsgesuchen für neue Atomkraftwerke in der Schweiz sistiert. BKW betreibt das Kernkraftwerk Mühleberg, das älteste der Schweiz.
Auch die Aktien diverser Schweizer Automobilzulieferer büssen überdurchschnittlich an Terrain ein. Die Anleger wurden von der zeitweiligen Einstellung der Produktion durch verschiedene Automobilhersteller in Japan aufgeschreckt. Die Dauer der Produktionsunterbrüche ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar; der weltgrösste Autobauer Toyota beispielsweise lässt die Produktion seit gestern mindestens bis Mittwoch in all seinen japanischen Werken ruhen.
In der Folge sinken Schmolz + Bickenbach um 13,3%, Komax um 6,1%, Rieter um 7,1%, Micronas um 10,4%, Georg Fischer um 5,7%, Tornos um 4,1% und Ems-Chemie um 3,9%. (awp/mc/ps)