Britisches Pfund legt nach May-Rede kräftig zu
Frankfurt – Die britische Premierministerin Theresa May hat am Dienstag die Anleger an den Finanzmärkten mit einer Brexit-Grundsatzrede positiv überrascht. Während und nach der Rede legte das zuletzt schwer angeschlagene Britische Pfund um rund zwei Prozent bis auf 1,2390 US-Dollar zu. Damit wurden Verluste im Vorfeld der Rede mehr als wettgemacht. Zwar kündigte May in London einen «harten Brexit» ohne Zugang Grossbritanniens zum EU-Binnenmarkt an. Sie werde sich aber auch um ein Freihandelsabkommen mit der EU bemühen.
Die Regierungschefin stellte eine klare Trennung Grossbritanniens von der Europäischen Union in Aussicht. Das Königreich wolle keine Teil-Mitgliedschaft oder assoziierte Mitgliedschaft in der EU «oder irgendetwas, das uns halb drin, halb draussen lässt», sagte May. «Wir streben nicht danach, an Häppchen der Mitgliedschaft festzuhalten, wenn wir gehen.»
Hoffnung auf Freihandelsabkommen nach Brexit
Sie werde keinen Verbleib Grossbritanniens im EU-Binnenmarkt vorschlagen, sagte May. Lüder Gerken, Chef des Freiburger Centrums für Europäische Politik (CEP), sieht damit die bisher diskutierte Möglichkeit eines «weichen Brexits» vom Tisch. Es werde also keinen Verbleib im EU-Binnenmarkt im Austausch gegen Zugeständnisse etwa beim Thema Migration geben. May habe «für Klarheit gesorgt, was gut ist für die künftigen Verhandlungen», so Gerken.
Die Regierungschefin betonte, dass sie in dem Brexit den Beginn einer neuen, konstruktiven Zusammenarbeit mit der EU sehe. Sie strebe ein Zollabkommen mit der EU an und werde an einem umfassenden Freihandelsabkommen arbeiten. Insofern müsse der Brexit-Plan Mays nicht das Ende des freien Handels zwischen der EU und Grossbritannien bedeuten, kommentiert Jürgen Matthes, Experte beim Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). «Vielmehr ist ein Freihandelsabkommen 3.0 denkbar.» Dafür müssten allerdings beide Seiten aufeinander zugehen, so der Ökonom.
May: Parlament soll über Brexit-Deal abstimmen
Über den finalen Brexit-Deal werde das Parlament abstimmen, sagte May. Auch dies habe das Pfund etwas gestärkt, weil es damit schwerer werde, einen «harten Brexit» durchzusetzen, sagt Craig Erlam, Experte beim Finanzdienstleister Oanda. Die Pfund-Erholung sei dadurch verstärkt worden, dass vor Mays Rede viele Anleger auf ein fallendes Pfund spekuliert hätten und im Anschluss an Mays Rede einen Rückzieher machten.
Die Anleger hatten mit Spannung auf die Rede gewartet. Zum Wochenbeginn hatte das Pfund deutlich an Wert verloren und war erstmals seit Oktober wieder unter die Marke von 1,20 Dollar abgesackt. Zuvor hatten Medien berichtet, die Regierung in London strebe beim Austritt aus der Europäischen Union einen «harten Brexit» an. Nachdem sich die Anleger darauf eingestimmt hatten, sorgten Mays Worte nun für etwas Erleichterung. Gegenüber dem Wertverlust beim Pfund von bis zu einem Fünftel seit dem Brexit-Votum bleibt die jüngste Erholung aber weiterhin ein Tropfen auf den heissen Stein. (awp/mc/upd/ps)