Franken auf Rekordjagd – ‹Hort der Stabilität›
Zürich – Der Verhandlungspoker in den USA zur Abwendung einer Staatspleite sorgt an den internationalen Finanzmärkten für immer grössere Nervosität und hat eine Rekordjagd beim vermeintlich besonders sicheren Schweizer Franken ausgelöst. Am Dienstag mussten Anleger für einen Dollar zeitweise nur 0,7998 CHF. Damit war die Schweizer Währung im Handel mit dem Dollar so wertvoll wie nie. Allerdings stellen Aufschläge von rund 25% in den vergangenen zwölf Monaten die Schweizer Unternehmen vor immer grössere Schwierigkeiten.
Der Schweizer Franken geniesst bei den Investoren traditionell den Ruf als «Hort der Stabilität». Bereits mit der Zuspitzung der europäischen Schuldenkrise und der Diskussion über ein neues Rettungspaket für das hoch verschuldete Griechenland kannte der Kurs des Frankens nur eine Richtung: steil nach oben. Kaum ist die Gefahr einer Eskalation der europäischen Schuldenkrise nach dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union gebannt, blicken die Investoren mit wachsender Nervosität auf den Schuldenstreit in den USA. Hier spitzt sich die Lage seit Tagen immer weiter zu.
US-Schuldenkrise verunsichert Anleger
Zuerst sorgte die europäische Schuldenkrise für Unruhe, jetzt verunsichert die US-Schuldenkrise die Anleger. Die Finanzmärkte seien quasi «vom Regen in die Traufe geraten», hiess es in einem Kommentar der Commerzbank. Experten sind sich sicher: Je länger der Poker zwischen Demokraten und Republikanern um eine Einigung im Schuldenstreit dauert, desto stärker wird der Ansturm auf vermeintlich sichere Anlageformen.
«Das Unmögliche scheint möglich zu werden»
Nach einer Reihe von erfolglosen Krisentreffen in den vergangenen Tagen scheint selbst «das Unmögliche möglich zu werden», hiess es bei der HSH Nordbank. Die USA könnten ab dem 2. August kurzfristig zahlungsunfähig sein. Nach wochenlangen Verhandlungen zeichnet sich weiter kein Kompromiss zur Erhöhung der Schuldengrenze und für ein langfristig angelegtes Sparprogramm in den USA ab.
Schweizer Wirtschaft massiv unter Druck
Während in vielen US-Fernsehsendern bereits der Countdown zur Staatspleite eingeblendet wird, steigt die Unruhe bei den Investoren an den Finanzmärkten. Ganz oben auf den Kaufzetteln der Anleger steht der Franken. Die Sehnsucht der Anleger nach Stabilität für das Ersparte setzt aber gleichzeitig auch die Schweizer Wirtschaft massiv unter Druck. Die Schweizer Unternehmen zählen zu den grossen Verlierern des Höhenflugs beim Franken. Eine Aufwertung zum Dollar um etwa ein Viertel innerhalb nur eines Jahres macht die Exportgeschäfte für die Schweizer Unternehmen immer schwieriger.
Konjunkturerwartungen stark gefallen
Nach einer aktuellen Umfrage des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind die Konjunkturerwartungen für die Schweiz stark gefallen. Laut einer Umfrage, die gemeinsam mit der Grossbank Credit Suisse erhoben wurde, ist der entsprechende Index im Juli massiv eingebrochen.
Die Folgen des starken Frankens für die Wirtschaft der Landes sind gravierend: Der Nettogewinn der 20 grössten Unternehmen dürfte einer Studie im Auftrag des «Handelsblatts» zufolge in diesem Jahr um 1,2% im Vergleich zum Vorjahr sinken. Anfang des Jahres lagen die Prognosen vor der jüngsten Zuspitzung der Schuldenkrise noch bei 11,4% Wachstum. Ein ähnlicher Verfall der Firmengewinne zeigt sich laut der Studie sonst nur bei den griechischen Unternehmen ab. (awp/mc/pg)