EU-Schluss: Kurssprung dank ‹historischer› EZB-Aussagen
Paris – Nach zwei Verlusttagen haben Aussagen der Europäischen Zentralbank (EZB) den europäischen Aktienmärkten einen Kurssprung beschert. EZB-Chef Mario Draghi versprach eine langfristige geldpolitische Lockerheit und näherte sich damit der Strategie anderer grosser Notenbanken an. Commerzbank-Analyst Michael Schubert bezeichnete die Selbstbindung an niedrige Zinsen für einen langen Zeitraum als «historische Entscheidung». Impulse aus den USA blieben am Donnerstag aus, da die dortigen Börsen wegen des Unabhängigkeitstags geschlossen blieben.
Der schon vor den EZB-Aussagen freundliche EuroStoxx 50 baute seine Gewinne massiv aus.
Zum Handelsende stand der Leitindex der Eurozone 2,95 Prozent höher bei 2.646,54 Punkten, was den grössten Tagesgewinn seit dem 23. April bedeutete. In Paris rückte der Cac 40 um 2,90 Prozent vor auf 3.809,31 Punkte. Für den Londoner FTSE 100 ging es um 3,08 Prozent hoch auf 6.421,67 Punkte.
Die britische Notenbank hatte auf der ersten Sitzung unter ihrem neuen Chef Mark Carney ihren Leitzinssatz ebenso wie die EZB auf einem rekordniedrigen Niveau belassen und signalisiert, bald einen ähnlichen Weg wie die Währungshüter auf dem Kontinent einzuschlagen.
Die Leitzinsen würden für einen längeren Zeitraum auf ihrem aktuellen Niveau oder sogar niedriger bleiben, sagte Draghi nach der Zinssitzung des EZB-Rats. Bislang hatte die EZB lediglich davon gesprochen, ihren expansiven Kurs so lange wie nötig fortzusetzen. Commerzbank-Experte Schubert sagte der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX, dass die Währungshüter damit vor allem die langfristigen Zinsen niedrig halten wollten. Bemerkenswert sei, dass Draghi die Entscheidung mit den zuletzt gestiegenen Zinsen an den Märkten begründet habe, die von der US-Notenbank Fed ausgegangen waren. Die politischen Probleme in Portugal hätten hingegen offenbar keine Rolle gespielt.
Aus Branchensicht gab es im Stoxx Europe 600 nur Gewinner: Das deutlichste Plus schaffte mit 3,88 Prozent der konjunktursensible Autosektor . Die folgenden Plätze belegten die Banken– und die ebenfalls stark von der Wirtschaftsentwicklung abhängigen Rohstoffwerte mit Aufschlägen von 3,82 beziehungsweise 2,81 Prozent. Dagegen waren die Titel von Medienunternehmen mit plus 1,14 Prozent Schlusslicht in der Sektorübersicht.
Mangels Unternehmensnachrichten bewegten bei Einzelwerten vor allem Analystenkommentare. Im EuroStoxx 50 gehörten die Aktien von Essilor mit plus 5,38 Prozent zu den Favoriten der Anleger. Die französische Bank Societe Generale habe die Titel des Brillenglas-Herstellers hochgestuft und spreche nun eine Kaufempfehlung aus, sagte ein Händler.
Für die Kering-Papiere ging es um 5,55 Prozent bergauf, was für einen der vorderen Plätze im Cac 40 sorgte. Die französische Investmentbank Exane BNP Paribas hatte die Titel des Luxusgüter-Herstellers hochgestuft und erwartet nun eine überdurchschnittliche Kursentwicklung. Die Ergebnisse des Konzerns dürften im ersten Halbjahr von den deutlichen Preiserhöhungen bei der Marke Gucci profitiert haben, hiess es. Hinzu komme eine günstigere Mischung aus Einzel- und Grosshandelsumsätzen.
Bei Easyjet sorgten Verkehrszahlen sowie ein positiver Analystenkommentar für Kursgewinne von 3,56 Prozent. Die britische Billigfluggesellschaft hatte im Juni erneut mehr Passagiere als vor einem Jahr befördert. Zudem erhöhte die HSBC ihr Kursziel für die Aktie von 1.400 auf 1.500 Pence. Die Experten rechnen bei den Titel mit einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung. (awp/mc/pg)