Paris – Nach der wegweisenden Entscheidung des Bundesverfasssungsgerichts (BVerfG) zum Euro-Rettungsfonds ESM haben die europäischen Börsen am Mittwoch mehrheitlich gewonnen. Der EuroStoxx 50 kletterte nach der Urteilsverkündung auf ein Tageshoch von 2.591 Punkten und stand zum Handelsschluss um 0,28 Prozent höher bei 2.564,80 Punkten. Am Nachmittag war er nach der Veröffentlichung von US-Öllagerdaten sogar kurz ins Minus gedreht. In Paris stieg der Cac 40 um 0,18 Prozent auf 3.543,79 Punkte. In London drehte der FTSE 100 hingegen und ging mit minus 0,17 Prozent bei 5.782,08 Punkten aus den Handel. In Madrid zog der IBEX-35-Index 0,78 Prozent an.
In Karlsruhe genehmigten die Richter den Beitritt Deutschlands zum Euro-Rettungsschirm ESM – allerdings mit Vorbehalten: Es muss demnach sichergestellt werden, dass die Haftung Deutschlands auf die vereinbarten 190 Milliarden Euro beschränkt bleibt. Der Rettungsschirm dürfe nicht so ausgelegt werden, dass sich der Anteil Deutschlands ohne Zustimmung der deutschen Seite – und damit des Bundestages – erhöhe. Ausserdem dürfe die Schweigepflicht für alle ESM-Mitarbeiter nicht dazu führen, dass der Bundestag nicht ausreichend unterrichtet werde.
Die kontinentaleuropäischen Börsen hätten insgesamt vom «grünen Licht» des BVerfG profitiert, sagte Marktstratege Ishaq Siddiqi von ETX Capital. Zwar habe die Entscheidung der Richter grundsätzlich nicht überrascht, doch sei nun die Unsicherheit in puncto der erwarteten finanziellen Hilfsanträge krisengeschüttelter Staaten gewichen. In Grossbritannien habe der FTSE 100 derweil unter enttäuschenden britischen Arbeitsmarktdaten gelitten.
Abseits des ESM-Urteils präsentierte die EU-Kommission am Mittwoch ihren Vorschlag zu einer europäischen Bankenaufsicht. Demnach sollen alle Banken in den 17 Euro-Ländern künftig einer mächtigen europäischen Bankenaufsicht unterliegen. Damit würde die Europäische Zentralbank (EZB) mehr als 6.000 Geldhäuser zentral kontrollieren. Die Aufsicht ist zugleich Voraussetzung dafür, dass klamme Institute direkt auf Kredite aus dem Euro-Rettungsfonds zugreifen können.
Unternehmensseitig gehörten Banken- und Autowerte zu den Favoriten der Anleger. Die Subindizes der Banken und Autotitel führten die Sektorenübersicht mit jeweils plus 1,34 Prozent an. Der Subindex für Versicherertitel stieg um 0,93 Prozent. Unter den Finanzwerten verbuchten Unicredit mit plus 2,47 Prozent und Axa mit einem Aufschlag von zwei Prozent mit die deutlichsten Gewinne.
Kurz vor Handelsende gerieten die Papiere des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS und die Aktien von BAE Systems in den Fokus der Anleger. Zunächst hatte sich die Nachrichtenagentur Bloomberg auf mit der Sache vertraute Kreise berufen und über Fusionsgespräche zwischen EADS und dem britischen Rüstungskonzern berichtet. Beide Unternehmen bestätigten die Verhandlungen später. Laut BAE Systems würde EADS mit 60 Prozent die Mehrheit an einem gemeinsamen Unternehmen halten. Während die im FTSE 100 gelisteten Titel von BAE Systems um 10,62 Prozent nach oben sprangen, sackten EADS um 5,63 Prozent ab.
In London gaben die Aktien von Kingfisher nach unerwartet schlechten Zahlen zunächst nach, erholten sich im Handelsverlauf jedoch und notierten zuletzt knapp ein Prozent fester. Schlechtes Wetter und ungünstige Wechselkurse haben Europas grösstem Baumarktbetreiber das erste Halbjahr 2012 verdorben und den Gewinn um knapp ein Fünftel gedrückt. (awp/mc/pg)