London – Nach der Talfahrt der vergangenen Wochen haben sich die europäischen Börsen am Dienstag weiter stabilisiert. Händler nannten Konjunkturdaten aus China und den USA als Ursache für die Kauflaune. So hatte die chinesische Industrieproduktion im Mai um 13,3 Prozent zum Vorjahr zugelegt und damit in etwa wie erwartet. Trotz des deutlichen Wachstums liegt die Rate so niedrig wie zuletzt im November 2010. Börsianern sehen deshalb momentan keine grosse Gefahr einer Überhitzung der chinesischen Konjunktur, die von der Notenbank mit weiteren Zinserhöhungen bekämpft werden würde. Zugleich verliere die dortige Volkswirtschaft auch nicht zu stark an Schwung.
Der EuroStoxx 50 schloss 1,68 Prozent höher bei 2.779,94 Punkten. Am vergangenen Freitag war der Leitindex noch auf den niedrigsten Stand seit der verheerenden Erdbebenkatastrophe in Japan im März abgerutscht, den gestrigen Feiertagshandel hatte er kaum verändert beendet. Der CAC 40 in Paris kletterte am Dienstag um 1,50 Prozent auf 3.864,58 Punkte nach oben. Der Londoner FTSE 100 stieg um 0,51 Prozent auf 5.803,13 Punkte.
Zudem meldete die US-Regierung für den abgelaufenen Monat einen überraschend schwachen Rückgang bei den wichtigen Umsätzen im Einzelhandel und auch diese Nachricht habe die Notierungen angetrieben, sagten Börsianer. Die jüngste Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands durch die Ratingagentur Standard & Poor’s hingegen habe kaum Auswirkungen gezeigt, hiess es weiter.
Bei den Einzelwerten zogen vor allem die Aktien des finnischen Handy-Konzerns Nokia das Interesse der Investoren auf sich. Zuvor hatte Nokia einen Patentstreit mit dem Computerbauer Apple beigelegt. Die Papiere der Finnen gewannen 1,58 Prozent auf 4,362 Euro. Analyst Oliver Finger von der DZ Bank wertete die Meldung als «leicht positive News nach den schlechten Nachrichten der letzten Wochen». Die Vereinbarung sieht laut Nokia vor, dass Apple eine Einmalzahlung leisten und während der Vertragslaufzeit kontinuierlich Lizenzgebühren zahlen wird. Durch die Vereinbarung erwarten die Finnen positive finanzielle Folgen im zweiten Quartal. Die Apple-Titel stiegen zuletzt um 1,43 Prozent auf 331,28 US-Dollar.
Bester Wert im CAC 40 waren die Aktien von Capgemini mit einem Plus von 3,07 Prozent auf 38,57 Euro. Der französische Software-Beratungskonzern bestätigte Übernahmeverhandlungen zum Kauf des IT-Dienstleisters Prosodie. Das Geschäft soll den Angaben zufolge ein Volumen von 382 Millionen Euro haben.
In Kauflaune ist auch der schwedische Telekomausrüster Ericsson, der den Dienstleister Telcordia für 1,15 Milliarden Dollar in bar übernehmen will. Mit diesem Schritt kommen rund 2.600 Telcordia-Mitarbeiter zu Ericsson, wie das schwedische Unternehmen mitteilte. Telcordia entwickelt Betriebsunterstützungssysteme für die Telekombrache. Den Ericsson-Titeln bescherte diese Meldung am Ende ein Plus von 1,66 Prozent auf 88,70 schwedische Kronen.
Schliesslich finden nach einem Vierteljahrhundert Trennung auch der amerikanische Autovermieter Avis und seine europäische Schwestergesellschaft wieder zueinander. Die Avis Budget Group aus dem US-Bundesstaat New Jersey kauft die an der Londoner Börse notierte Avis Europe im Einvernehmen für 636 Millionen Pfund oder umgerechnet 720 Millionen Euro. Während deren Aktien um 58,04 Prozent auf 319,70 Pence nach oben schnellten, stiegen die Titel der Avis Budget Group um 3,57 Prozent auf 16,53 Dollar.
Dagegen schlossen die Anteilsscheine des britischen Einzelhändlers Tesco nach der Veröffentlichung von Geschäftszahlen kaum verändert. Die Papiere verbuchten am Ende ein minimales Plus von 0,02 Prozent auf 407,30 Pence. Tesco ist zwar dank neu eröffneter Einkaufsmärkte mit einem deutlichen Umsatzplus ins Geschäftsjahr gestartet. Händler kritisierten aber ein schwaches Geschäft auf dem britischen Heimatmarkt.
Die Aktien des kürzlich an die Londoner Börse gegangenen Schweizer Rohstoffhändlers Glencore rutschen sogar ins Minus und verloren nach Geschäftszahlen gar 4,47 Prozent auf genau 500,00 Pence. Der Konzern habe zwar ein gutes Quartalsergebnis gemeldet, sagte der Analyst Tim Dudley vom Finanzberater Collins Stewart. Allerdings müssten die kommenden Quartale noch besser ausfallen, wenn Glencore noch die Markterwartung an die Bilanz des Geschäftsjahres 2011 treffen wolle. (awp/mc/upd/ps)