London – Beeindruckt von den Nachwirkungen des Erdbebens in Japan sind die europäischen Aktienmärkte am Montag mit Verlusten in die neue Woche gestartet. Nachdem sich die Abgaben anfangs noch in Grenzen hielten und der EuroStoxx 50 zwischenzeitlich sogar im Plus lag, bröckelten die Kurse im Tagesverlauf kontinuierlich ab.
Der europäische Leitindex schloss schliesslich 1,10 Prozent tiefer bei 2.852,11 Punkten und erreichte seinen tiefsten Stand seit Mitte Januar. In Paris büßte der Cac 40 1,29 Prozent auf 3.878,04 Punkte ein, und für den FTSE 100 ging es in London um 0,92 Prozent auf 5.775,24 Punkte nach unten. Der britische Leitindex ging damit gar auf dem tiefsten Stand seit Anfang Dezember aus dem Handel.
Börsianern zufolge fokussiert sich der Markt derzeit auf die Ereignisse in Japan. «Das Erdbeben und seine Folgen könnten sich negativ auf das gesamte weltwirtschaftliche Wachstum auswirken», sagte ein Marktexperte. Selbst eine globale Rezession schlossen einige Marktteilnehmer nicht gänzlich aus. «Den Investoren fehlt es derzeit an Sicherheit», ergänzte ein Händler. «Die Märkte reagieren daher etwas nervös und die Anleger scheuen das Risiko». Belastend wirkten sich vor allem fallende Kurse in den Energie- und Versicherungssektoren aus.
Unter Druck gerieten angesichts der immensen Schäden in Japan die Aktien von Versicherungskonzernen. Der Stoxx 600 Insurance verlor 2,06 Prozent. Die Papiere des weltweit zweitgrössten Rückversicherers Swiss Re rutschten in Zürich um 4,53 Prozent auf 49,36 Schweizer Franken ab. Zuvor hatte der auf Risikoanalysen spezialisierte Versicherungsdienstleister AIR Worldwide die versicherten Schäden, die durch das Erdbeben alleine an Gebäuden verursacht wurden, auf bis zu 35 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Ratingagentur Moody’s geht explizit davon aus, dass die Katastrophe in Japan die Erst- und Rückversicherer schwer treffen wird. Anteilsscheine von Axa gaben im EuroStoxx um 3,32 Prozent auf 14,125 Euro nach.
Nachdem die Diskussion um die Kernkraft in Europa nach den Unfällen in Japan neu entbrannt ist, gab es auch bei Energiekonzernen kräftige Verluste. Deren Branchenindex Stoxx 600 Utilities büsste 2,09 Prozent ein. In Paris sackten die Papiere des Kraftwerkbauers Areva um 9,61 Prozent auf 31,50 Euro ab. Die Titel des Stromriesen EdF büssten 5,28 Prozent auf 28,96 Euro ein. Die UBS verwies in einer Studie darauf, dass der Konzern vor allem auf Atomstrom setze und die Titel daher besonders unter Druck gerieten. Die Schweizer Bank strich die EdF-Aktien daher von ihrer «European Key Call List».
Entziehen konnten sich dem schwachen Gesamtmarkt einige Bankenwerte. Die Titel der Unicredit stiegen an der Spitze des EuroStoxx 50 um 3,84 Prozent auf 1,838 Euro. Auch die Titel von Credit Agricole und BBVA machten mehr als drei Prozent an Boden gut. Börsianer verwiesen darauf, dass JPMorgan den europäischen Bankensektor nach dem EU-Gipfel vom Wochenende hochgestuft hatte. Ein anderer Marktteilnehmer betonte, dass die Notenbanken nach dem Erdbeben in Japan weiteres Geld in die Märkte pumpen dürften, was wiederum die Sorge vor einer Zinserhöhung entkräfte. Deutliche Verluste gab es indes bei irischen Banken. Allied Irish Banks sackten um 2,61 Prozent auf 0,224 Euro ab. Zuvor hatte Irlands Finanzminister Michael Noonan angedeutet, dass die vereinbarte Milliarden-Finanzspritze für die angeschlagenen irischen Geldhäuser möglicherweise nicht ausreiche.
In London zählten die 4,34 Prozent schwächeren Aktien von Burberry zu den grössten Verlierern. Experten gehen davon aus, dass sich nach dem Erdbeben das Konsumklima in ganz Japan eintrüben wird. Das wiederum würde die Hersteller von Luxusgütern treffen. Entsprechend begaben sich in Paris auch die LVMH-Aktien mit 3,09 Prozent auf Talfahrt. Unter den grössten Gewinnern waren in London dagegen die Titel von Aggreko, die um 8,24 Prozent auf 1.519,79 Pence hochschnellten. Der Konzern vermietet mobile Generatoren und dürfte daher von den Engpässen bei der Stromversorgung in Japan profitieren.
Jenseits des Erdbebens in Japan verloren Renault 6,32 Prozent auf 38,175 Euro. In der angeblichen Spionage-Affäre haben Gewerkschafter den Chef des französischen Autobauers zum Rücktritt aufgefordert. Renault-Chef Carlos Ghosn müsse sich seiner Verantwortung stellen, sagte der Chef der Gewerkschaft Force Ouvrière, Patrick Monange, am Montag dem Sender France Info. (awp/mc/ps)