Paris – Europas Börsen haben nach der Erholungsrally seit dem Brexit-Kursrutsch zum Wochenauftakt eine Atempause eingelegt. Der EuroStoxx 50 schloss 0,72 Prozent schwächer bei 2862,21 Punkten. Börsianer sprachen von Gewinnmitnahmen, nachdem der Leitindex der Eurozone in der vergangenen Woche um knapp 4 Prozent zugelegt hatte. Zudem fehlten am Montag Impulse von der wichtigen Wall Street, an der wegen des Unabhängigkeitstags der USA nicht gehandelt wird.
Als Belastung nannte ein Händler negative Nachrichten aus dem italienischen Bankensektor, die insbesondere den Aktienmarkt in Mailand belasteten. Zudem dürften die Auswirkungen eines Ausstiegs der Briten aus der Europäischen Union weiterhin für Verunsicherung sorgen, ist sich Analyst Dirk Gojny von der National-Bank sicher. «Doch allmählich wird zur Tagesordnung übergegangen.»
Die anderen europäischen Aktienindizes zollten ihrer jüngsten Erholung ebenso Tribut wie der EuroStoxx 50: Der Pariser CAC 40 verlor 0,91 Prozent auf 4234,86 Punkte. In London fiel der FTSE 100 um 0,84 Prozent auf 6522,26 Punkte zurück. Den Brexit-Schock hat das Börsenbarometer indes längst hinter sich gelassen und notiert nun deutlich höher als am Tag des Referendums.
Nach Einschätzungen von Joe Rundle von ETX Capital führt dieser Aufstieg aber in die Irre, da einige negative Aspekte verschleiert würden. So hätten Anleger in den vergangenen Tagen vor allem ausgerechnet Unternehmen favorisiert, die eine hohe Gewichtung im Index hätten. Vor allem Absteiger wie Taylor Wimpey und Persimmon , die inzwischen je rund 30 Prozent verloren hätten, verfügten aber nur über ein niedriges Gewicht im «Footsie». Beide Bauunternehmen gehörten am Montag nach enttäuschenden Stimmungsdaten aus der britischen Baubranche zu den grösseren Verlierern im britischen Leitindex.
Der Mailänder FTSE MIB büsste zum Wochenauftakt 1,74 Prozent ein. Hier belastete vor allem der Kurssturz bei der Grossbank Monte dei Paschi di Siena (MPS), nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) sie in einem Schreiben zu einem drastischen Abbau ihrer faulen Kredite aufgefordert hatte.
Mit einem Minus von knapp 14 Prozent markierten die MPS-Titel ein Rekordtief – auf Jahressicht haben sie fast drei Viertel ihres Wertes eingebüsst. Dies zog auch die Aktien der heimischen Konkurrenten in Mitleidenschaft: Am EuroStoxx-Ende verloren Unicredit und Intesa SanPaolo 3,63 beziehungsweise 3,04 Prozent.
In London rutschten Barclays um knapp zweieinhalb Prozent ab, nachdem im Libor-Skandal drei weitere Banker des britischen Geldhauses wegen Betrugs schuldig gesprochen worden waren. Entsprechend gab der Bankenindex im marktbreiten Stoxx Europe 600 um 1,58 Prozent nach.
Schlimmer noch traf es aber die europäischen Autobauer und -zulieferer, deren Branchenindex um 1,99 Prozent absackte. Sie litten unter einer Studie der französischen Investmentbank Kepler Cheuvreux. «Niemand will Autowerte kaufen, aber auch für einen Verkauf ist es vermutlich zu spät», lautet das Fazit der Analysten für die Branche. Sie kürzten ihre Gewinnschätzungen und Kursziele teils deutlich.
Am besten hielten sich dagegen die Rohstoffunternehmen, deren Index um 1,45 Prozent anzog. Vor allem Gold und Silber werden von Anlegern nach dem Brexit-Schock als sichere Häfen angesteuert, was einerseits die Preise in die Höhe treibt und andererseits die Aktienkurse der Produzenten anschiebt. Eine Feinunze Silber kostete zeitweise knapp 22 US-Dollar und damit so viel wie zuletzt im August 2014. Entsprechend setzten die Aktien des Silber- und Goldproduzenten Fresnillo ihre seit Tagen anhaltende Bergfahrt fort und führten die «Footsie»-Gewinnerliste mit einem Aufschlag von knapp 8 Prozent an.
Den Eurostoxx 50 führten die Versorger an, die an ihre jüngste Erholung anknüpften. Eon setzten sich mit einem Aufschlag von rund 2 Prozent an die Index-Spitze gefolgt vom französischen Konkurrenten Engie -Konzern mit knapp 1 Prozent Kursplus. Versorger sind derzeit gefragt, nachdem in der vergangenen Woche Analyst Lüder Schumacher von der Societe Generale mit einer Kaufempfehlung für RWE -Papiere für Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Er bezeichnete die Papiere als «sicheren Hafen» für Anleger nach dem Brexit-Votum. (awp/mc/pg)