London – Wachsende Unsicherheit hat die Anleger an den europäischen Börsen am Dienstag aus ihrer Lethargie gerissen. Nach einem weitgehend kaum veränderten Verlauf beendete der EuroStoxx 50 den Handel 1,05 Prozent tiefer bei 3023,15 Punkten. Auch der Eurokurs reagierte und legte zu, was es schwerer machen kann, Waren ausserhalb der EU abzusetzen.
Vor allem die in einer Woche anstehende Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten bereitet so manchem Börsianer Bauchschmerzen – und das auch in Europa. Zudem steht am Mittwoch die Notenbanksitzung der US-amerikanischen Fed und am Donnerstag die der Bank of England an.
Der Pariser Cac 40 verlor 0,86 Prozent auf 4470,28 Zähler. Der britische FTSE 100 sank um 0,53 Prozent auf 6917,14 Punkte.
Die Annahme vieler Marktteilnehmer, dass die Demokratin Hillary Clinton die Wahl gewinnen dürfte, werde durch aktuelle Umfragen zunehmend in Frage gestellt, begründeten Marktteilnehmer die Verunsicherung. In einer Umfrage des Senders ABC und der «Washington Post» lag der Republikaner Donald Trump erstmals wieder seit Mai vor Clinton. Da die meisten US-Investoren erst nachmittags an den europäischen Börsen handeln, kann dies die Richtung der Indizes ebenfalls mit beeinflussen.
Der Eurokurs stieg, da der US-Dollar unter Druck geriet. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung bei 1,1055 Dollar gehandelt. Im Fall eines Wahlsieges von Trump könnte die an den Märkten erwartete und daher bereits weitgehend eingepreiste Leitzinserhöhung in den USA im Dezember ausfallen, hiess es zur Begründung der Dollarschwäche.
Keine Branche in Europa konnte sich dem am Nachmittag einsetzenden Abwärtstrend entziehen. Auf Unternehmensebene zogen vor allem die schwachen Geschäftszahlen der auf Asien fokussierten britischen Bank Standard Chartered die Aufmerksamkeit der Anleger auf sich. Deren Erträge waren im dritten Quartal in allen Sparten zurückgegangen. Die Papiere büssten in London Ende des FTSE 100 5,42 Prozent ein.
Die Aktienkurse der zwei wichtigsten britischen Ölgesellschaften entwickelten sich nach der Vorlage ihrer Geschäftsberichte gegenläufig: Während die Shell-Papiere mit plus 4 Prozent zu den besten Indexwerten zählten, nahmen die von BP mit einem Minus von 4,5 Prozent den vorletzten Platz ein. Royal Dutch Shell hatte dank einer höheren Produktion im Zuge der BG-Übernahme und Einsparungen den Gewinn im dritten Quartal gesteigert. Beim Wettbewerber BP hatte sich hingegen der Gewinn wegen des niedrigen Ölpreises nahezu halbiert. Auch negative Sondereffekte im Raffineriegeschäft hatten im dritten Quartal für Druck gesorgt.
Unter den kleineren Werten schnellten am Nachmittag zudem die Aktien der niederländischen PostNL um etwas mehr als 11 Prozent in die Höhe, während die der BPost um marktkonforme 0,72 Prozent nachgaben. Wie die Wirtschaftszeitung Het Financieele Dagblad unter Berufjg auf ein ihr vorliegendes vertrauliches Dokument berichtete, bereiten die Belgier ein neues Übernahmeangebot für PostNL vor. (awp/mc/upd/ps)