London – Die Entspannung im amerikanisch-europäischen Handelsstreit hat Europas Börsen am Donnerstag teils kräftig Auftrieb gegeben. Damit folgten sie der tonangebenden Wall Street, die schon im späten Vortagshandel von einer überraschenden Verständigung zwischen US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker profitiert hatte. Auch einige positiv aufgenommene Unternehmenszahlen sorgten für neuen Schwung. Die Europäische Zentralbank hält derweil an ihrem allmählichen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik fest.
Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gewann 1,18 Prozent auf 3509,26 Punkte und erreichte damit das höchste Niveau seit Mitte Juni. Für den französischen Cac-40-Index ging es um 1,00 Prozent auf 5480,55 Punkte hoch. In London hingegen hielt sich die Begeisterung der Anleger sehr in Grenzen: Der britische FTSE 100 schloss nur 0,06 Prozent höher bei 7663,17 Punkten.
Als Ergebnis ihres Treffens wollen Trump und Juncker nun Gespräche über die Abschaffung von Zöllen auf Industriegüter beginnen. Mögliche hohe US-Zölle auf Autos sind nach Auffassung der Europäischen Union vorerst vom Tisch.
Vor allem die Aktien der europäischen Autobranche gehörten daraufhin zu den Gewinnern: Deren Subindex im marktbreiten Stoxx Europe 600 lag mit plus 2,58 Prozent ganz vorn. Dahinter profitierte der 1,66 Prozent festere Telekomwerte-Index von erfreulichen Geschäftszahlen von Telefonica und Orange.
Airbus-Aktien hatten nach starken Quartalszahlen bei 111,16 Euro ein Rekordhoch erreicht und gewannen am Ende als EuroStoxx-Spitzenreiter noch 4,5 Prozent auf 109,62 Euro. Der Bewertungsabschlag der Papiere zum ewigen Kontrahenten Boeing sei «überzogen», schrieb Analyst Norbert Kretlow von der Commerzbank.
Dass der spanische Telekomkonzern Telefonica im zweiten Quartal seinen operativen Gewinn überraschend gesteigert hatte, liess die Anteilscheine um 3,5 Prozent anziehen. Bei dem französischen Rivalen Orange hatten steigende Kundenzahlen in Spanien für einen stärker als erwarteten Gewinnanstieg gesorgt. Der Aktienkurs legte um gut 2 Prozent zu.
An der Zürcher Börse überzeugten Nestlé und Roche. Bei dem Lebensmittelhersteller hatte eine stärkere Dynamik in den USA und in China die Geschäftsentwicklung beflügelt – die Aktien zogen um fast 2 Prozent an. Die Anteilscheine des Pharmakonzerns gewannen dank unerwartet starker Halbjahresresultate und erneut angehobener Jahresziele rund 1,5 Prozent.
In London legten die Papiere des Roche-Konkurrenten AstraZeneca um gut 4 Prozent zu. Er hatte den Quartalsumsatz gesteigert. Zudem war der Gewinnrückgang nicht so heftig ausgefallen wie von Analysten erwartet. An der FTSE-100-Spitze zogen die Anteilscheine von British American Tobacco um mehr als 5 Prozent an. Höhere Zigarettenpreise und die Übernahme von Reynolds American hatten dem Tabakkonzern im ersten Halbjahr Rückenwind beschert.
Derweil büssten die Aktien von EuroStoxx-Schlusslicht Nokia 4,78 Prozent ein – bei dem finnischen Netzwerkausrüster hatte die operative Ergebnisentwicklung enttäuscht. Beim Brauereikonzern AB Inbev mussten die Aktionäre einen Kursrückgang von rund 4 Prozent verkraften, da sich die Geschäfte im zweiten Quartal trotz der Fussball-Weltmeisterschaft nicht so stark entwickelt hatten wie erwartet. (awp/mc/ps)