Paris – «Die europäischen Märkte emanzipieren sich von den USA» – mit dieser Worten brachte das Analysehaus Warburg Research am Freitag die Aktienkursentwicklung in Europa auf den Punkt. Der Grund dafür, dass die hiesigen Börsen nur noch den Weg nach oben kennen würden, sei das am Montag angelaufene Staatsanleihen-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB).
Der EuroStoxx 50 liess sich von der schwachen Wall Street nicht anstecken: Er schloss 0,41 Prozent fester bei 3656,21 Punkten und damit auf dem höchsten Stand seit Mitte 2008. Damit verbuchte der Leitindex der Eurozone am Ende einer durchwachsenen Woche unter dem Strich ein Plus von 1,07 Prozent. Auf Jahressicht steht sogar ein Anstieg von mehr als 16 Prozent zu Buche. Dagegen steuert sein US-Widerpart Dow Jones Industrial auf einen Wochenverlust von mehr als 1 Prozent zu und tritt seit Jahresbeginn per saldo auf der Stelle.
Viele US-Investoren agierten derzeit lieber an den europäischen Märkten, die von der ultralockeren EZB-Geldpolitik profitierten, sagte Marktanalyst Jasper Lawler von CMC Markets. Bereits seit Anfang Januar seien rund 40 Milliarden Dollar US-Kapital an die Börsen in Übersee geflossen. In diesem Zeitraum hätten die europäischen Märkte mehr als 30 Milliarden Dollar an Zuflüssen verzeichnet. In den USA herrscht Unsicherheit vor der Sitzung der Notenbank Fed am kommenden Mittwoch. Die Anleger warten auf Hinweise, wann die erste Zinserhöhung seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise stattfinden könnte.
Die anderen europäischen Indizes schafften am Freitag ebenfalls mehrheitlich Gewinne. Der CAC-40-Index in Paris verabschiedete sich mit plus 0,46 Prozent bei 5010,46 Punkten ins Wochenende, und auch in Madrid, Lissabon und Frankfurt ging es bergauf. Gegen den Trend sank indes der Londoner FTSE-100-Index , der nicht von der EZB-Geldschwemme profitiert, um 0,30 Prozent auf 6740,58 Punkte.
Mit minus 3 Prozent deutlich bergab ging es lediglich für den griechischen Athex Composite. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte im Schuldenstreit zwischen Griechenland und dessen Geldgebern zuletzt einen versehentlichen, unfallartigen Austritt («Graccident») des Landes aus der Eurozone nicht mehr ausgeschlossen. Für die meisten Anleger in Europa hat ein solches Szenario seinen Schrecken aber offensichtlich verloren. (awp/mc/ps)