London – An Europas Börsen hat sich am Donnerstag die Hoffnung auf einen europa- und wirtschaftsfreundlichen französischen Präsidenten durchgesetzt. Die zuletzt noch eher vorsichtigen Anleger griffen bei Aktien wieder etwas beherzter zu, nachdem Emmanuel Macron für die Stichwahl am Wochenende vorne gesehen wird. Nach einem hitzigen Schlagabtausch mit der Rechtspopulistin Marine Le Pen gilt der parteilose Kandidat im Umfragen als klarer Gewinner.
Davon angetrieben kletterte der EuroStoxx 50 erstmals seit August 2015 wieder über die Marke von 3600 Punkten. Am Ende stand der Leitindex der Eurozone 1,16 Prozent höher bei 3627,88 Zählern. In Paris rückte der CAC 40 sogar um 1,35 Prozent auf 5372,42 Zähler vor. In London jedoch wurde der FTSE 100 vom starken Pfund ausgebremst. Er stieg nur um 0,19 Prozent auf 7248,10 Punkte.
Die Stichwahl am Sonntag gilt als Schicksalsentscheidung für Europa. Laut einer Umfrage des Nachrichtensenders BFMTV fanden 63 Prozent der Zuschauer den als europafreundlich geltenden Kandidaten Macron in dem TV-Duell überzeugender. Darauf setzten nun auch viele Anleger. Sollte der Wahlausgang den Erwartungen des Marktes entsprechen, dürfte die jüngste Kursrally weitergehen, schrieb Marktanalyst Milan Cutkovic von Axitrader.
Zudem sorgte die Bilanzsaison mit einigen Dickschiffen für Bewegung. Wegen guter Nachrichten aus ihren Branchen befanden sich die Sektorindizes der Lebensmittel- und Bankenwerte mit Aufschlägen von 2,09 und 1,48 Prozent in der Spitzengruppe. Auf der anderen Seite hielt der anhaltende Preisverfall bei Basismetallen die Rohstoffkonzerne unter Druck – ihr entsprechender Branchenindex setzte seine Talfahrt mit mehr als 2 Prozent Minus fort.
Im Bankensektor sorgte die britische Grossbank HSBC für Schub. Weil das Institut im ersten Quartal in die Erfolgsspur zurückkehrte und einen unerwartet hohen operativen Gewinn berichtete, rückten die Papiere in London um 2,88 Prozent vor. Weniger euphorisch reagierten Anleger auf den Quartalsbericht der Societe Generale, deren Papiere um vergleichsweise moderate 0,62 Prozent stiegen. Laut UBS-Analystin Lorraine Quoirez waren sie zuletzt schon besonders gut gelaufen.
Im Lebensmittelbereich stützte vor allem ein mehr als 5-prozentiges Kursplus bei den Aktien des Braukonzerns AB Inbev das Branchenumfeld. Die Übernahme des Konkurrenten SABMiller hatte dem Weltmarktführer im ersten Quartal einen Umsatz- und Gewinnsprung beschert.
In einem insgesamt zögerlichen Branchenumfeld lagen die Shell-Aktien in London am Ende nur knapp im Plus. Sie liessen damit einen Grossteil ihrer zuvor im Tagesverlauf erzielten Gewinne liegen, obwohl der Ölkonzern dank höherer Preise einen überraschend hohen Gewinn ausgewiesen hatte. Am Donnerstag kam es am Ölmarkt aber prompt zu einem Preisrückgang.
In Zürich gehörten die Papiere des Rückversicherers Swiss Re nach der Zahlenvorlage mit 1,83 Prozent Plus zu den Favoriten im Leitindex SMI. Der Wirbelsturm Debbie hatte dem Konzern zwar den Jahresstart verhagelt, dennoch brach der Gewinn nicht so stark ein wie befürchtet. (awp/mc/upd/ps)