EU-Schluss: Auf Hochs folgen Gewinnmitnahmen
London – Nach zwischenzeitlichen Hochs ist am Donnerstag an den europäischen Börsen doch noch die Flaute eingekehrt. Zuerst schaffte es der EuroStoxx anlässlich des Zinsentscheids der EZB nach 14 Monaten wieder über die Marke von 3550 Punkten, tauchte dann aber ins Minus ab, als sich der Markt darauf einschoss, dass die Währungshüter die hoch gesteckten Erwartungen nicht ganz erfüllten. Am Ende verlor der Leitindex der Eurozone 0,64 Prozent auf 3510,15 Punkte.
Beim französischen Cac 40 reichte es mit 5672 Punkten zunächst sogar für ein Hoch seit mehr als elf Jahren. Nach den Kommentaren der EZB machten die Anleger aber Kasse, sodass der Leitindex in Paris am Ende um ein halbes Prozent auf 5578,05 Punkte fiel. Der Londoner FTSE 100 lag letztlich nur moderat mit 0,17 Prozent im Minus bei 7489,05 Punkten.
EZB-Präsident Mario Draghi bereitete die Märkte zwar wie erwartet auf geldpolitische Lockerungen vor, erfüllte aber nicht die Hoffnung einiger Anleger, schon jetzt konkreter zu werden. Die Gefahr einer Rezession in der Eurozone bezeichnete er außerdem als «relativ niedrig». Nachdem in den Kursen schon viel Zinshoffnung eingepreist worden sei, sprachen Börsianer von einsetzenden Gewinnmitnahmen.
Zuvor hatten aktuelle Konjunkturdaten gezeigt, dass eine lockere Hand der Notenbanken derzeit nötig zu sein scheint. Das Ifo-Geschäftsklima, das die Stimmung in der deutschen Wirtschaft misst, hatte sich angesichts des Handelskriegs zwischen China und den USA und einer abflauenden Weltwirtschaft zum vierten Mal in Folge eingetrübt.
Die davon ausgelösten Konjunktursorgen zeigten sich im Autosektor, dessen Branchenindex nach zwei sehr starken Handelstagen nun deutlich um 1,75 Prozent fiel. Vor allem für Aktien des Autozuliefersektors ging es hier wegen eines vorsichtigen Ausblicks des Lichtspezialisten Hella merklich bergab. Auch andere konjunkturempfindliche Sektoren wie etwa Chemie, Medien oder Technologie gehörten in der Branchentabelle zu den grossen Verlierern.
Zu den positiven Ausnahmen zählte der Gesundheitssektor mit einem knappen Plus. Er stand unter der Führung der Aktie von Astrazeneca, die auf ein Rekordhoch sprangen. Der Pharmakonzern traut sich für 2019 einen höheren Absatz zu als zunächst angepeilt. Auch die Papiere von Schneider Electric und des Eurostoxx-Schwergewichts LVMH kosteten nach Zwischenberichten zeitweise so viel wie noch nie.
Besonders gefragt waren nach guten Quartalsergebnissen die Aktien von Nokia. Die Papiere des Netzwerkausrüsters schafften es mit einem Anstieg um 6,8 Prozent an die Spitze im EuroStoxx. JPMorgan-Experte Sandeep Deshpande lobte übertroffene Erwartungen in allen Bereichen.
Auch der Bierbrauer AB Inbev überzeugte seine Anleger mit weiterhin kräftigem Wachstum, was den Aktien ein Plus von 4,3 Prozent bescherte. Danone folgten im Eurostoxx an dritter Stelle mit einem Anstieg um 2,5 Prozent. Der wieder anziehende Absatz von Babynahrung in China hat dem Lebensmittelkonzern im zweiten Quartal Rückenwind beschert.
In Zürich schmolzen die Gewinne bei Roche nach einem erneut angehobenen Ausblick letztlich auf nur noch 0,2 Prozent zusammen. ABB dagegen litten dort mit minus 2,1 Prozent unter vorsichtigeren Zielsetzungen. Die rote Laterne gehörte Clariant mit einem Kursrutsch um fast 10 Prozent. Der Spezialchemiekonzern hat die Pläne zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem saudischen Ankeraktionär Sabic auf Eis gelegt. (awp/mc/ps)