EU-Schluss: Die EZB enttäuscht die Anleger
London – Die Europäische Zentralbank (EZB) ist Europas Börsen am Donnerstag in die Parade gefahren. Prognosen der Notenbank zu Inflation und Konjunktur im kommenden Jahr drückten die Kurse am Nachmittag ins Minus. Der Verlust des EuroStoxx 50 war zwar mit 0,05 Prozent auf 3338,41 Punkte moderat. Vor den Aussagen der EZB hatte der Leitindex für die Eurozone jedoch noch mit rund einem Prozent im Plus gelegen.
Die EZB senkte die Annahmen für das Wirtschaftswachstum und die Inflation 2020. Ausserdem erhöhte sie die Zinsen für neue langfristige Kredite, wenn auch nur marginal. «Die EZB hat enttäuscht», lautete der Kommentar von Thomas Romig, Stratege des Vermögensverwalters Assenagon. Am Markt habe man mit «mehr Inspiration» durch neue oder wenigstens die bekannten geldpolitischen Instrumente der Notenbank gesetzt.
In Paris gab der Leitindex Cac 40 um 0,26 Prozent auf 5278,43 Punkte nach. Der britische FTSE 100 stieg dagegen um 0,55 Prozent auf 7259,85 Zähler. Auf die britischen Aktien haben die Entscheidungen der EZB unmittelbar keinen Einfluss. Zudem wertete der Euro zum britischen Pfund nach den EZB-Aussagen auf, womit sich die Wettbewerbschancen britischer Unternehmen verbessern könnten.
Im Branchentableau lagen Immobilienwerte abgeschlagen auf dem letzten Platz mit einem Minus von 2,2 Prozent. Diversen Presseberichten zufolge will die Berliner Landesregierung die Wohnungsmieten ab 2020 für fünf Jahre einfrieren. Das belastete die Kurse deutscher Branchentitel, aber auch Papiere anderer Immobiliengesellschaften in Europa.
Dagegen griffen die Anleger verstärkt nach Aktien von Versorgern, die als vergleichsweise sicheres Investment gelten. Der Sektorindex stieg um 1,3 Prozent.
Neben der EZB war der abgeblasene Zusammenschluss der beiden Autobauer Fiat Chrysler und Renault das Tagesthema an den Börsen. Die Italiener hatten am Morgen überraschend ihren Antrag an die Franzosen zurückgezogen. Renault-Aktien verloren daraufhin 6,4 Prozent und landeten damit weit abgeschlagen auf dem letzten Platz im französischen Leitindex. Im Tagestief näherten sich die Papiere wieder dem Kurs vor Bekanntwerden der Fusionspläne.
Fiat-Aktien bewegten sich dagegen kaum von der Stelle. Trotz des Rückziehers rechne er mittelfristig mit einer Rückkehr der beiden Autobauer an den Verhandlungstisch, sagte Analyst Jose Asumendi von JPMorgan. Er sei unverändert von der «industriellen Logik» einer Fusion der beiden Unternehmen überzeugt.
Aktien von Orange verloren nach einer gestrichenen Kaufempfehlung der US-Bank Morgan Stanley zwei Prozent. Analyst Emmet Kelly geht davon aus, dass der französische Telekomanbieter für längere Zeit hohe Investitionen tätigen dürfte. (awp/mc/ps)