London – Europas Aktienmärkte haben nach der Vortagesrally wieder einen Gang zurückgeschaltet. Die wichtigsten Indizes gerieten am Freitag mehr oder weniger deutlich unter Druck. Nachdem die Kurse am Donnerstag noch unter anderem von dem Kursrutsch des Euro profitiert hatten, rief nun die Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA und der Europäischen Union sowie China Sorgenfalten bei den Anlegern hervor. Der grosse Verfall an den Derivatebörsen («Hexensabbat») hinterliess derweil keine grossen Spuren.
Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 fiel um 0,63 Prozent auf 3505,02 Punkte, was einen Wochengewinn von 1,67 Prozent bedeutet. Der französische CAC-40-Index gab am Freitag um 0,48 Prozent auf 5501,88 Punkte nach. Ausserhalb der Eurozone büsste der britische FTSE 100 sogar 1,70 Prozent auf 7633,91 Zähler. Der «Footsie» litt unter dem wieder etwas stärkeren Pfund und deutlichen Kursverlusten bei den stark gewichten und konjunkturanfälligen Rohstoffwerten.
Am Donnerstag hatte der EuroStoxx dank Aussagen der Europäischen Zentralbank (EZB) und des anschliessenden Euro-Rutsches knapp anderthalb Prozent gewonnen. Die Währungshüter hatten zwar angekündigt, ihr milliardenschweres Anleihekaufprogramm schrittweise zurückzufahren und bis Ende des Jahres auslaufen zu lassen. Zugleich aber wurde versprochen, den Leitzins bis mindestens Sommer 2019 auf dem aktuellen Niveau zu belassen. Niedrige Zinsen begünstigen Aktien gegenüber festverzinslichen Wertpapieren, zudem kann ein schwacher Euro Exporte der hiesigen Unternehmen in Länder ausserhalb des Währungsraums antreiben.
An diesem Freitag aber machte US-Präsident Donald Trump ernst und verhängte gegen China Strafzölle auf Waren im Wert von 50 Milliarden US-Dollar. Als Reaktion kündigte Peking Vergeltungszölle auf amerikanische Waren im Wert von ebenfalls 50 Milliarden Dollar (42,7 Milliarden Euro) an. Zudem hatten die EU-Länder bereits am Donnerstagabend geschlossen für einen Vorschlag der Kommission gestimmt, auf die US-Importzölle mit eigenen Zöllen für US-Produkte wie Whiskey, Jeans und Motorräder zu reagieren.
Unter den Einzelwerten stach am Freitag Rolls-Royce heraus: Positive Aussagen zur erwarteten Barmittelentwicklung hatten den Aktien des Triebwerksbauers bei über 1000 Pence zeitweise den höchsten Stand seit rund drei Jahren beschert. Zum Handelsschluss stand noch ein Kursplus von rund 8 Prozent, was den unangefochtenen Spitzenplatz im «Footsie» bedeutete. Auch dank des angekündigten Abbaus von 4600 Stellen, der schon am Donnerstag für ein Kursplus von 6,5 Prozent gesorgt hatte, gehen die Briten davon aus, bis 2020 ihr Ziel eines freien Barmittelzuflusses von einer Milliarde Pfund zu übertreffen.
Bei der britischen Supermarktkette Tesco konnten sich die Anleger dank einer überraschend guten Geschäftsentwicklung im ersten Geschäftsquartal 2018/19 über einen Kursanstieg von 2 Prozent freuen.
Dagegen büssten die Papiere von Hennes & Mauritz (H&M) mehr als 5 Prozent ein. Die schwedische Textilkette kämpft weiterhin gegen die starke Online-Konkurrenz. Im abgelaufenen Quartal blieb die Umsatzentwicklung hinter den ohnehin schon niedrigen Erwartungen der Analysten zurück.
Der Brancheindex der Bankaktien litt derweil mit minus 1,90 Prozent unter der Aussicht auf eine unverändert sehr lockere EZB-Geldpolitik. Den Geldhäusern würden bei den Erträgen im Anleihehandel und bei der Kreditvergabe steigende Zinsen helfen. So aber verloren die Papiere des spanischen Instituts Banco Santander unter den Schlusslichtern im EuroStoxx mehr als 2 Prozent. (awp/mc/ps)