London – Europas Börsen haben am Dienstag der Erholungsrally der vergangenen Wochen erneut Tribut gezollt. Die Sorgen um Chinas Wirtschaft beschäftigten die Anleger weiterhin und schürten Ängste vor einem globalen Konjunkturabschwung, schrieb Analyst David Madden von CMC Markets UK. Gegenwind kam zudem von der Wall Street, wo es für die Aktienkurse nach dem feiertagsbedingt verlängerten Wochenende deutlich bergab ging.
Der EuroStoxx 50 schloss 0,39 Prozent schwächer bei 3112,80 Punkten. Noch in der vergangenen Woche hatte der Leitindex der Eurozone um etwas mehr als zwei Prozent zugelegt und damit seine dritte Börsenwoche im neuen Jahr mit Gewinnen beendet. Der Pariser Cac 40 verlor am Dienstag 0,42 Prozent auf 4847,53 Punkte. Der Londoner FTSE 100 ging 0,99 Prozent tiefer bei 6901,39 Zählern aus dem Handel.
Zu Wochenbeginn war bekannt geworden, dass Chinas Wirtschaftswachstum 2018 auf den niedrigsten Stand seit fast drei Jahrzehnten gefallen ist. Zudem hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Wachstumsprognose für 2019 angesichts ungelöster Handelskonflikte und eines drohenden Brexit-Schocks erneut gesenkt.
Devisenexpertin Antje Praefcke von der Commerzbank verwies auf die tiefe politische Zerstrittenheit in den USA und in Grossbritannien, die «erhebliche Risiken für die Wirtschaft» berge. In den Vereinigten Staaten ist der Haushaltsstreit nach wie vor nicht beigelegt. Viele wichtige Konjunkturdaten werden daher aktuell nicht veröffentlicht, was die Einschätzung des Zustandes der US-Wirtschaft erschwert. In Grossbritannien ist es der Brexit, der einen Keil zwischen die Bevölkerung treibt.
Im europäischen Branchenvergleich schlugen sich die Aktien der Reise- und Freizeitunternehmen am besten: Der Subindex im marktbreiten Stoxx Europe 600 gewann 0,92 Prozent. Als Kurstreiber dienten die wegen der Konjunktursorgen deutlich fallenden Ölpreise, welche tendenziell die Treibstoffkosten für die Fluggesellschaften verringern.
Der Billigflieger Easyjet überzeugte die Anleger zudem mit Quartalszahlen sowie seinen Vorbereitungen für den bevorstehenden Brexit: Die Aktien gewannen an der «Footsie»-Spitze über sechs Prozent. Die Briten wollen den paneuropäischen Flugbetrieb für den Fall eines ungeregelten Austritts Grossbritanniens aus der EU sichern.
Wie der Rivale Ryanair aus Irland versucht das Unternehmen deshalb, einen Teil seiner Aktionäre aus Grossbritannien und anderen Ländern ausserhalb des Europäischen Wirtschaftsraums loszuwerden. Easyjet-Chef Johan Lundgren will damit sicherstellen, dass die Fluggesellschaft spätestens am 29. März mehrheitlich Eignern aus dem EU-Wirtschaftsraum gehört. Dies gilt als Voraussetzung dafür, dass eine Airline auf Strecken innerhalb der EU fliegen darf.
Die schwache Ölpreisentwicklung belastete im Gegenzug die Titel von Öl- und Gaskonzernen, deren Branchenbarometer 1,13 Prozent einbüsste. Noch härter traf es den Index der Rohstoffunternehmen, der als Schlusslicht in der Übersicht 1,23 Prozent verlor.
Die Aktien des Bergbaukonzerns BHP Group sanken nach einem Zwischenbericht zur Produktion in der zweiten Jahreshälfte 2018 um fast zwei Prozent. Ins Kontor schlug, dass die Produktivität in diesem Zeitraum durch ungeplante Ausfälle in mehreren Bergwerken wie etwa der Mine Olympic Dam beeinträchtigt worden war.
Wenig Grund zur Freude hatten auch die Besitzer von Bankaktien: Deren Index sank um 0,94 Prozent. Besonders hart traf es die Anteilseigner der schweizerischen UBS, die angesichts enttäuschender Geschäftszahlen um mehr als drei Prozent absackten und damit die Verliererliste im Zürcher Leitindex SMI anführten. Auch eine höhere Dividende und der angekündigte Aktienrückkauf überzeugten am Markt nicht. (awp/mc/ps)