EU-Verlauf: Verluste deutlich ausgeweitet
Paris – Die europäischen Aktienmärkte haben am Donnerstag unter einer extrem nervösen Marktstimmung gelitten und ihre Verluste vom Vormittag deutlich ausgeweitet. Der EuroStoxx 50 rutschte gegen Mittag um 2,84 Prozent auf 2.264,83 Punkte ab. Damit gab der europäische Leitindex seine seit vergangenem Freitag eingefahrenen Gewinne wieder komplett ab. Zeitweise war der Index sogar bis auf 2.246 Punkte abgesackt. Experten erklärten dies mit der hohen Nervosität am Markt, und verwiesen zudem auf den kurz zuvor erfolgten Einbruch beim Dax-Future durch eine ganze Serie von Stopp-Loss-Verkäufen.
Auslöser könnte eine versehentlich zu umfangreiche Verkaufsorder gewesen sein – ein so genannter «Fat Finger» – der den ersten Rutsch brachte. Hohe Verluste verzeichnete auch der Cac 40 in Paris mit Minus 2,43 Prozent auf 3.175,21 Punkte. Der Londoner FTSE 100 büsste 1,85 Prozent auf 5.232,93 Punkte ein.
Der Bankensektor geriet nach einem Bericht im «Wall Street Journal» (WSJ) enorm unter Druck. Das Blatt hatte berichtet, dass die US-Aufsichtsbehörde nun aus Sorge vor einem Übergreifen der europäischen Schuldenkrise auf das US-Bankensystem das US-Geschäft von europäischen Banken prüft. Die zuständige Federal Reserve Bank von New York habe Informationen über den Kapitalzugang angefordert, schreibt das WSJ unter Berufung auf hochrangige Bankvertreter. Hintergrund sei, dass die Banken wegen der Schuldenkrise in Europa Probleme bei der Finanzierung etwa ihres Kreditgeschäfts und anderer Verpflichtungen in den USA bekommen oder sogar Geld aus den USA abziehen könnten.
Angeführt wurden die Verliererliste der Bankenaktien von der italienischen Intesa SanPaolo und der französischen Societe Generale mit einem Minus von jeweils rund 5 Prozent. Die Papiere der Deutschen Bank gaben um fast 4 Prozent nach. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte zudem vor der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der Eurozone gewarnt. «Das Wiederaufleben der Idee ist problematisch, ich dachte eigentlich, sie sei für immer tot», sagte der Manager im US-Fernsehsender CNBC. Für Banken werde es schwieriger, in der Eurozone profitabel zu sein. Im Londoner «Footsie» waren Barclays und Royal Bank of Scotland (RBS) besonders schwach.
Darüber hinaus sorgten Geschäftszahlen des Schweizer Zementherstellers Holcim für Bewegung bei Baustoff-Aktien. Holcim verfehlte im ersten Halbjahr die Markterwartungen deutlich. Gestiegene Rohstoff- und Energiekosten konnten erneut nicht ausgeglichen werden. Gegenwind brachte zudem der starke Franken. Holcim-Titel brachen an der Börse in Zürich um mehr als 6 Prozent ein und zogen andere Baustoffwerte europaweit mit nach unten. So verbilligten sich CRH, Saint-Gobain und HeidelbergCement ebenfalls deutlich. Analysten lobten jedoch die fundamentale Stärke Holcims. Die jüngste Kursschwäche dürfe darüber nicht hinwegtäuschen.
In London setzten Investoren insbesondere Rohstofftitel auf die Verkaufszettel. Xstrata, Glencore und Kazakhmys waren unter den grössten Verlierern. (awp/mc/ps)