Europa-Schluss: Halbjahresbilanz des EuroStoxx klar negativ
Paris / London – Die Anleger an Europas Börsen haben am Dienstag Vorsicht walten lassen. Die wichtigsten Aktienindizes schlossen überwiegend im Minus. Überraschend besser als erwartet ausgefallene Stimmungsdaten aus der chinesischen Industrie konnten nicht lange stützen.
Die Stimmung der Anleger bleibe ambivalent, sagte Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank. Die einen sähen eher düstere Zeiten auf die Börsen zukommen und verwiesen dafür auf die wieder rasch steigenden Corona-Neuinfektionen, die neue Lockdown-Massnahmen nach sich ziehen könnten. Die anderen glaubten, dass die Anreize der Notenbanken und Regierungen für die Wirtschaft einen kraftvollen Konjunkturaufschwung nach sich ziehen werden.
Der EuroStoxx 50 als Leitindex der Eurozone schaffte am Ende ein Plus von 0,06 Prozent auf 3234,07 Punkte. Auf Monatssicht ergibt sich ein Gewinn von rund 6 Prozent. Die Halbjahresbilanz aber fällt mit einem Minus von fast 14 Prozent deutlich negativ aus. Hier schlug der Kurssturz von Ende Februar bis Mitte März im Zuge der Corona-Krise ins Kontor.
In Paris gab der französische Leitindex Cac 40 am Dienstag um 0,19 Prozent auf 4935,99 Punkte nach. Der britische FTSE 100 litt unter Kursverlusten bei Ölaktien und sank um 0,90 Prozent auf 6169,74 Zähler.
Branchenweit gab es in Europa überwiegend Gewinner. Die grössten Aufschläge verzeichneten die Technologiewerte mit einem Plus von 1,63 Prozent. Sie profitierten von positiven Nachrichten aus der US-Halbleiterbranche: «Bei Micron Technology war im zurückliegenden Quartal von der Pandemie nichts zu spüren», hiess es im Kommentar der Bernecker Börsenbriefe. Vor allem der gute Ausblick habe Chip-Aktien beflügelt. Die Credit Suisse sprach von «gesunden Trends». Börsianer ergänzten dies um ebenfalls positive Signale von Xilinx, deren Papiere zuletzt an der Spitze des technologielastigen US-Auswahlindex Nasdaq 100 um fast 8 Prozent nach oben schnellten.
Am Ende des europäischen Branchentableaus fanden sich die Aktien aus dem Öl- und Gassektor mit einem Minus von 1,41 Prozent wieder. Die Ölpreise hatten nach ihren zu Wochenbeginn erzielten Gewinnen wieder den Rückwärtsgang eingelegt. Rohstoffexperte Eugen Weinberg von der Commerzbank erklärte den Verkaufsdruck am Ölmarkt aber auch mit der Aussicht auf eine mögliche Lösung der Ölblockade im Opec-Land Libyen. Am Markt kursierten Meldungen, wonach der staatliche Ölkonzern NOC im Bürgerkriegsland eine Aufhebung der Blockade der Öltransporte durch Milizen erwartet.
Ganz weit hinten im Auswahlindex Stoxx Europe 50 waren dementsprechend die Aktien von BP und von Royal Dutch Shell zu finden. Sie sackten um 2,5 beziehungsweise rund 4 Prozent ab.
Der britisch-niederländische Ölkonzern Royal Dutch Shell muss zudem angesichts des Einbruchs der Öl- und Gaspreise im zweiten Quartal Milliarden abschreiben. Dadurch dürfte die Verschuldung steigen, schrieb der Experte Jason Gammel vom Analysehaus Jefferies. Die deutlich über den vorherigen Erwartungen liegende Förderung im zweiten Quartal werde im aktuellen Umfeld wohl keine grosse Wirkung entfalten.
Ein angekündigte milliardenschwere Kapitalerhöhung der skandinavischen Fluggesellschaft SAS liess deren Aktien in Stockholm um fast 13 Prozent einknicken. Im Zuge der Kapitalerhöhung für die Rettung der Airline dürften die Anteile von Schweden und Dänemark an ihr von bisher jeweils rund 15 Prozent auf je rund 20 Prozent steigen. (awp/mc/ps)