Europa-Verlauf: Anleger kommen am Verfallstag ins Zögern
Paris / London – Die Anleger haben am Freitag an den europäischen Börsen wieder den Rückzug angetreten. Der Zugzwang, unter dem die weltweiten Notenbanken derzeit wegen der hohen Inflation stehen, brachte sie nach den Kursgewinnen vom Vortag wieder verstärkt ins Grübeln. Im Fokus standen auch der grosse Verfall an den Terminbörsen und ein schwacher Ifo-Geschäftsklimaindex.
Der EuroStoxx50 fiel am Vormittag um 1,04 Prozent auf 4158,34 Punkte, womit er in der Wochenbilanz wieder mit gut einem Prozent ins Minus rutschte. Der französische Cac 40 verlor knapp ein Prozent auf 6936,80 Zähler. Der britische FTSE 100 dagegen entwickelte sich mit einem Abschlag von 0,36 Prozent auf 7265,64 Punkte robuster.
Börsianern zufolge zeigte es sich in dieser Woche, dass die internationalen Entscheider die geldpolitische Wende vorantreiben, wenn auch mit unterschiedlicher Entschlossenheit. Laut den Experten der Berenberg Bank reduzieren grosse Zentralbanken ihre Wertpapierkäufe und führten dem Markt somit weniger Liquidität zu, die Bank of England habe sogar den ersten kleinen Zinsschritt nach oben gemacht. «Damit wird der Weg für einen stärkeren Anstieg der Marktzinsen geebnet», so die Experten. Dies kann verzinste Anlagen in der Theorie attraktiver machen.
Derweil belastet die aktuelle Corona-Welle die Stimmung in der deutschen Wirtschaft erheblich. Dies zeigte sich am Freitag im Ifo-Geschäftsklimaindex, der etwas stärker fiel als von Experten gedacht. Nach dem sechsten Rückgang in Folge notiert der Indikator auf dem tiefsten Stand seit Februar. «Ein erneuter Rückgang des Ifo-Index deutet auf einen Stillstand der Wirtschaft zum Jahreswechsel hin», schrieben die Experten der ING-Bank. Sie sehen darin aber in Erwartung eines besseren Jahrs 2022 keinen Grund zur Sorge.
In der Sektorwertung fielen vor allem die Technologiewerte auf, deren Fachindex im Schlepptau der US-Börsen um 1,9 Prozent absackte. Am Vorabend hatte es in New York bei den Branchenwerten schon einen Ausverkauf gegeben. Unter den grösseren Verlierern in Europa waren denn auch Chip-Aktien, wie STMicroelectronics mit einem Abschlag von 3,3 Prozent in Paris zeigten. Die Titel der Tech-Beteiligungsgesellschaft Prosus fielen im EuroStoxx um 2,1 Prozent.
Die zweite grosse Verliererbranche waren die Autowerte mit einem Rücksetzer um 1,6 Prozent bei ihrem Teilindex. Allen voran sackten hier die Aktien von Daimler um 2,3 Prozent ab, nachdem die britische Grossbank HSBC am Freitag ihre bisherige Kaufempfehlung aufgegeben hatte. Hier wurde als Belastung auch auf Daten zu den Neuzulassungen aus Europa verwiesen, die im November um 20,5 Prozent zurück gingen. Seit Monaten schon sacken die Zulassungszahlen deutlich ab – vor allem, weil den Autobauern Elektronikchips zur Fertigstellung der Fahrzeuge fehlen.
Die beiden positiven Ausnahmen waren in der Sektorwertung die Minenkonzerne sowie die Reise- und Freizeitwerte, deren Teilindex um 0,6 Prozent stieg. Fluggesellschaften bleiben damit in der Corona-Pandemie besonders bewegt, dieses Mal aber mit positivem Vorzeichen. Die Aktien der britisch-spanischen IAG etwa zogen als Spitzenreiter im FTSE 100 um 3,4 Prozent an. Auch Aktien aus dem Flugzeugbau legten zu: Airbus und Safran waren im EuroStoxx mit Anstiegen um bis zu einem Prozent vorne dabei.
Auffällig waren ansonsten noch die Aktien des italienischen Diagnostikers DiaSorin , die in Mailand um 12 Prozent absackten. Als Grund dafür wurde ein schwacher Umsatzausblick auf das Jahr 2022 genannt. Dieser stehe im Zusammenhang mit einem erwarteten Rückgang der Pandemie-bedingten Umsätze, hiess es. (awp/mc/pg)