Europa-Verlauf: Anleger nach Erholungsrally vorsichtiger – Omikron im Fokus
Paris / London – Nach der jüngsten Erholung lassen es die Anleger an Europas Aktienmärkten zur Wochenmitte ruhiger angehen. Der Hoffnung, dass die Omikron-Variante des Coronavirus weniger gefährlich sein könnte, stehen Berichte über einen womöglich geringeren Impfschutz gegen die neue Form gegenüber. Zugleich gibt es weitere Baustellen, wie die Krise des chinesischen Immobilienmarktes und die nach wie vor hohe Inflation.
Der EuroStoxx 50 fiel am Vormittag um 0,31 Prozent auf 4262,80 Punkte. Seit dem Zwischentief Ende November hat der Leitindex der Eurozone bereits mehr als 62 Prozent der zuvor seit Mitte November erlittenen Verluste wettgemacht. Er landete damit auf einem bei Charttechnikern stark beobachteten Reaktionsniveau.
Auch der französische Cac 40 hielt sich am Mittwoch mit minus 0,1 Prozent auf 7056,79 Punkte kaum besser. Der britische FTSE 100 legte um 0,39 Prozent auf 7368,76 Punkte zu.
Momentan überwiege die Risikofreude der Anleger, erklärte Analyst Jeffrey Halley vom Broker Oanda. Dennoch sollten die Risiken nicht vergessen werden, blickt der Experte bereits auf die am Freitag erwarteten US-Inflationsdaten voraus. Sollte die Teuerung über 7 Prozent liegen, dürfte die US-Notenbank Fed unter Druck geraten. Eine noch schnellere Rückführung der Anleihekäufe sowie ein Signal der Notenbanker, die Zinsen früher anzuheben, könnten die Folgen sein. Die Entscheidung darüber dürfte die Fed dann auf ihrer Zinssitzung Mitte Dezember treffen.
Die Aktienexperten der Landesbank Helaba verwiesen zudem auf sich jüngst wieder häufende negative Meldungen vom chinesischen Immobilienmarkt. Es dränge sich der Eindruck auf, als würden dort immer mehr Immobilienunternehmen in Schieflage geraten, sodass ein Flächenbrand nicht ausgeschlossen werden könne.
Neben dem hoch verschuldeten Konzern Evergrande geraten weitere chinesische Immobilienunternehmen in immer tiefere Schwierigkeiten. Wegen Sorgen um die Zahlungsfähigkeit wurden die Aktien der Kaisa Group Holdings am Mittwoch an der Hongkonger Aktienbörse ausgesetzt. Ähnlich wie Evergrande hatte zudem China Aoyuan Group vergangene Woche mitgeteilt, es gebe wegen Liquiditätsproblemen keine Garantie, dass bestimmte Zahlungen gemacht werden könnten. Evergrande ist mit mehr als 300 Milliarden US-Dollar verschuldet. Die Behörden der Südprovinz Guangdong haben am Wochenende eine Arbeitsgruppe in das Unternehmen entsandt. Möglich ist eine Umstrukturierung der Kreditlasten.
Mit Blick auf die Corona-Pandemie deuten erste Labor-Untersuchungen zur Wirkung von Corona-Impfstoffen gegen Omikron derweil auf eine schwächere Abwehrreaktion gegen die neue Variante hin.
Auf der Unternehmensseite wurden europäische Halbleiterwerte und Technologieaktien am Mittwoch insbesondere von einer Branchenstudie von Morgan Stanley bewegt. Im Dax ging es für Infineon um fast 4 Prozent abwärts, nachdem es tags zuvor noch nach einem Vorstoss auf das Jahreshoch ausgesehen hatte. Die französischen Soitec verloren gar noch etwas mehr, während sich STMicro mit minus einem Prozent besser hielten.
Analyst Dominik Olszewski gibt STMicro kurzfristig den Vorzug vor Infineon, weil er hier das grössere Umsatzpotenzial sieht. Die Lösung des Chipproblems in der Autobranche sei «das Branchenthema» 2022. Soitec stufte er zudem auf «Underweight» ab.
Der Stoxx Europe 600 Technology lag mit minus 0,2 Prozent im Mittelfeld des europäischen Branchentableaus. Am deutlichsten verlor der Index der Autowerte mit minus 0,5 Prozent. Ganz oben in der Übersicht gewann der Index der Gesundheitswerte mehr als ein Prozent hinzu.
Die Aktien des belgischen Technologie- und Werkstoffunternehmens Umicore knickten um rund 8 Prozent ein, nachdem das Unternehmen für die kommenden beiden Jahre überraschend niedrige Gewinne im Geschäft mit Batteriematerialien in Aussicht gestellt hatte. Die Ankündigung eines Gemeinschaftsunternehmens mit Volkswagen, das die europäischen Zellfabriken des Autobauers mit Kathodenmaterial beliefern soll, half den Papieren der Belgier nicht.
Für die Papiere des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé ging es um eineinhalb Prozent aufwärts. Die Schweizer reduzieren ihre Beteiligung am französischen Kosmetikkonzern L’Oréal . Sie kündigten zudem ein neues Aktienrückkaufprogramm an. L’Oréal-Papiere stiegen um knapp ein Prozent.
Aktien der London Stock Exchange stiegen nach einer Kaufempfehlung durch das Investmenthaus Jefferies um 0,8 Prozent. Unter den Nebenwerten schnellten die Papiere des Corona-Impfstoffentwicklers Valneva um rund 11 Prozent nach oben. (awp/mc/pg)