Paris / London – Die europäischen Aktienmärkte haben am Mittwoch stark zugelegt. Nachdem es am Vortag nur zu einer zaghaften Stabilisierung gereicht hatte, ging es zur Wochenmitte kräftig aufwärts. Hoffnungsschimmer im Krieg in der Ukraine und die nachgebenden Rohstoff- und Energiepreise lösten Aktienkäufe aus. Zudem bezeichneten Analysten die Marktverfassung nach den hohen Einbussen der vergangenen Wochen als «überverkauft» – sprich: reif für eine Gegenbewegung.
Der EuroStoxx 50 erholte sich um 7,44 Prozent auf 3766,02 Punkte. Der französische Cac 40 rückte um 7,13 Prozent auf 6387,83 Zähler vor. Der britische FTSE 100 blieb mit einem Plus von 3,25 Prozent auf 7190,72 Punkte deutlich zurück. Hier bremsten die Kursverluste der zahlreichen Titel aus dem Sektor Öl & Gas sowie der Rohstoffproduzenten.
«Die Börse setzt zum einen auf das Treffen zwischen den Aussenministern der Ukraine und Russlands morgen in der Türkei und zum anderen auf die im Vorfeld kommunizierten Zugeständnisse auf ukrainischer Seite, sich mit einem neutralen Status des Landes durchaus anfreunden zu können», begründete Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von Robomarkets die Börsengewinne. Die Ukraine schliesst nicht aus, in Verhandlungen mit Russland auch über eine mögliche Neutralität des Landes zu sprechen. Seit 2019 ist das Ziel des Nato-Beitritts in der ukrainischen Verfassung festgelegt. Russland fordert, dass die Ukraine darauf verzichtet und sich für neutral erklärt.
Neben der Ukraine gilt die Aufmerksamkeit der Sitzung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag. Die Notenbanken der westlichen Welt befinden sich in einem Dilemma, wie Norman Villamin anmerkte, Vermögensverwalter bei Union Bancaire. Denn Sanktionen gegen Russland könnten einen Schock bei der Rohstoffversorgung auslösen. Sollten die im Raum stehenden massiven Sanktionen umgesetzt werden, stünden die westlichen Zentralbanken vor der Wahl, eine ähnliche Geldpolitik wie in den 1970er Jahren zu verfolgen. Diese habe seinerzeit zu tiefen Rezessionen während des ganzen Jahrzehnts geführt. Oder aber die Notenbanken liessen Inflation zu, um das Wachstum aufrechtzuerhalten.
Die Erholung an den Märkten führte zu veränderten Vorzeichen bei den Sektoren. Ganz vorne lagen die zuletzt arg gebeutelten Autowerte. Auch der Reise- und Freizeitsektor legte überdurchschnittlich zu. Ganz am Ende rangierten dagegen die Öl- und Rohstoffwerte, die im Zuge der Ukraine-Krise zuvor stark gestiegen waren. Sie verzeichneten nun Verluste. Auch den zuletzt stark gestiegenen Titel der Windanlagebauer bekam der Wechsel nicht gut. So verloren etwa Vestas Wind sechs Prozent.
Hinter den starken Sektorbewegungen traten die Einzelmeldungen etwas zurück, blieben aber nicht ohne Wirkung. So zogen Prudential um achteinhalb Prozent an. Die US-Bank JPMorgan riet nach den Geschäftszahlen des Versicherers zum Kauf der Aktien.
Im Sektor der Reise- und Freizeitwerte stachen die Aktien der französischen Hotelkette Accor hervor. Auch dank einer Kaufempfehlung der Berenberg Bank schoss der zuvor abgestürzte Wert um 14 Prozent nach oben. Weniger gut lief es bei Geberit. Der grösste Sanitärtechniker Europas erfüllte zwar mit den Gewinnzahlen für 2021 in etwa die Erwartungen der Analysten. Diese hatten sich aber eine höhere Dividende erhofft. Geberit verloren zwei Prozent. (awp/mc/ps)