Paris / London – Die Investoren an den Börsen Europas haben sich am Freitag nach den jüngst unliebsamen Zinssignalen der Fed und der EZB weiter neu sortiert. Die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank hatten in den vergangenen beiden Tagen auf die Eindämmung der hohen Inflation mit weiteren entschlossenen Zinsschritten und eine Verkleinerung der wegen der Corona-Hilfen aufgeblähten Bilanzen gepocht. Das hatte die Investoren auf dem falschen Fuss erwischt, da zuvor Wirtschaftsdaten auf eine gewisse Entspannung bei der Inflation hingedeutet hatten.
Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx50 schloss am Freitag mit 3804,02 Punkten und damit 0,83 Prozent tiefer als am Vortag. Für die Woche ergibt sich damit ein Verlust von 3,5 Prozent. Nach zuvor neun Gewinnwochen in Folge mit einem Anstieg um insgesamt ein Fünftel ist es für den EuroStoxx nun das zweite Wochenminus nacheinander. Der Index bewegt sich damit nur noch rund 100 Punkte über dem Niveau von Mitte November, bevor überraschend moderate US-Inflationsdaten den Börsen einen kräftigen Schub verliehen hatten.
Der französische Cac 40 fiel am Freitag um 1,08 Prozent auf 6452,63 Punkte und der britische FTSE 100 sank um 1,27 Prozent auf 7332,12 Zähler.
Die erneuten Abgaben unterstrichen die Bedeutung der jüngsten Notenbanksitzungen über den Tag hinaus. Gerade die europäische Notenbank habe «viele auf der falschen Seite erwischt», betonte Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck. Die EZB habe viel zu lange gezögert, jetzt habe sie die Inflationsproblematik erkannt und steuere endlich entschlossen gegen. Das aber habe Folgen für die mittelfristigen Aussichten an den Aktienmärkten. Die Gewinnerwartungen der Analysten passten nicht zu den Rezessionserwartungen von Merck Finck.
Auch Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank blickt nach den jüngsten Notenbankäusserungen skeptisch in die Zukunft. «Setzt sich die Marktwahrnehmung eines ‹höher für länger› beim Zinsausblick durch, würde das zunächst für eine Phase schwächerer Börsen und festerer Renditen an den Rentenmärkten sprechen.»
Unter Druck standen in diesem Umfeld zinssensible Sektoren, allen voran Immobilien. So machen hohe Zinsen den Immobilienkauf auf Kredit teurer. Zudem zehren die Zinsen an den Immobilienwerten in den Bilanzen der Konzerne. Analyst Tom Carstairs vom Investmenthaus Stifel riet denn auch zur Vorsicht. Die Zinsunsicherheit könnte Transaktionen in der Branche einschränken, womit Impulse für die Werte fehlten. Zudem seien mögliche Dividendeneinschnitte noch nicht eingepreist. Der Stoxx Europe 600 Real Estate sank denn auch als Schlusslicht im Branchentableau um 4,8 Prozent. Schlusslicht im Eurozonen-Leitindex war Vonovia mit minus 8,24 Prozent.
Zu den Gewinnern der Notenbanksitzungen gehörten dagegen die Banken, deren Branchenindex mit plus 0,8 der einzige Gewinner war. Die Papiere der italienischen Intesa Sanpaolo führten den EuroStoxx mit einem Plus von 3,2 Prozent an. Unter den wenigen Gewinnern waren auch die Aktien der BNP Paribas , der ING , der BBVA und von Santander .
Die Aktien von Inditex knüpften mit minus 2,09 Prozent an ihre Vortagesverluste an, nachdem die Analysten der französischen Grossbank Societe Generale die Papiere des Textilkonzerns einen Tag nach eher enttäuschenden Geschäftszahlen von «Buy» auf «Hold» abgestuft hatten. (awp/mc/pg)