Paris / London – Die Aussicht auf eine weiter extrem lockere US-Geldpolitik hat am Donnerstag Europas grösste Börsen gestützt. Der Leitindex der Eurozone schaffte den Sprung auf das höchste Niveau seit rund 13 Jahren.
Der EuroStoxx 50 stieg am Ende um 0,46 Prozent auf 3867,54 Punkte, nachdem er zwischenzeitlich den höchsten Stand seit Mai 2008 erreicht hatte. Der Pariser Leitindex Cac 40 rückte um 0,13 Prozent auf 6062,79 Punkte vor.
Für den Londoner FTSE 100 ging es um 0,25 Prozent auf 6779,68 Punkte nach oben. Die britische Notenbank setzt in der Corona-Krise wie erwartet ebenfalls auf eine weiter extrem lockere Geldpolitik. Die Leitzinsen und das Wertpapierkaufprogramm werden nicht angetastet. Der Leitzins liegt weiterhin an der Nulllinie und beträgt 0,1 Prozent. Die Anleihekäufe zur Eindämmung der wirtschaftlichen Pandemie-Folgen werden ebenfalls fortgeführt.
Die US-Notenbank (Fed) hatte am Vorabend ihre Prognosen zum Wirtschaftswachstum sowie zur Preisentwicklung kräftig hochgeschraubt. Im Kampf gegen die Corona-Krise behielt die Fed trotzdem ihren sehr lockeren Kurs bei. Der Leitzins an der Nullmarke wurde bestätigt. Er dürfte dort auch noch längere Zeit bleiben.
«Die Fed hat die Markterwartung vollends erfüllt», sagte Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect. Die Inflationsrisiken seien gedämpft und die Aussicht auf eine weiter lockere Geldpolitik aufrecht erhalten worden. Beim Arbeitsmarkt werde zugleich noch Handlungsbedarf gesehen.
Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners ergänzte: «Das Fed-Statement entfaltet seine Wirkung an den asiatischen und europäischen Börsen. Die Hoffnung der Börsianer ist, dass die USA dieses Jahr neben China zur globalen Wachstumslokomotive werden und Firmen weltweit vom höheren US-Wachstum profitieren.»
Unter den 19 Branchen Europas verzeichnete der konjunktursensible Rohstoffsektor mit plus 2,1 Prozent die grössten Gewinne. Ebenfalls sehr gefragt waren Bankaktien, die um 2,0 Prozent anzogen. Die steigenden Anleiherenditen weckten die Hoffnung auf bessere Zinsgeschäfte von Banken.
Die Experten der Schweizer Bank Credit Suisse wiesen darauf hin, dass nun mehr Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der Fed mit einer Zinserhöhung schon 2022 rechnen. Auch das Lager derjenigen, die 2023 eine Erhöhung erwarten, sei gewachsen. Die Credit-Suisse-Experten rechnen im Zuge der Anpassung des Marktes an die neuen Signale mit weiter steigenden Anleiherenditen.
Die Anteilsscheine von Nokia bildeten mit minus 5,7 Prozent das Schlusslicht im EuroStoxx. Der neue Ausblick des Netzwerkausrüsters deute zwar eine Verbesserung gegenüber der aktuellen Schwäche an, schrieb Analyst Andrew Gardiner von der britische Investmentbank Barclays. 2023 wolle das Unternehmen dann schneller als der Markt wachsen. Was die Marge betrifft wertete Gardiner die Ambitionen für 2023 allerdings eher als Enttäuschung.
Die Aktien der Schweizer Versandapotheke Zur Rose, die noch Mitte Februar ein Rekordhoch erklommen hatten, sackten nach der Vorlage von Jahreszahlen nun 12,6 Prozent ab. Die DocMorris-Konzernmutter hatte einen mehr als doppelt so hohen Verlust wie 2019 gemeldet, der zudem auch höher als von Analysten erwartet ausfiel. Eine Ergebnisverbesserung lasse weiter auf sich warten, schrieb dazu der Experte Volker Bosse von der Baader Bank. Angesichts des angepeilten Umsatzwachstums bleibt Bosse jedoch zuversichtlich – ebenso wie Jefferies-Fachmann Alexander Thiel. (awp/mc/ps)