Paris / London – Die Furcht der Anleger vor einem unvermindert harten geldpolitischen Kurs der US-Notenbank Fed hat am Dienstag die Kursgewinne an Europas Börsen etwas abschmelzen lassen. Zunächst hatten Spekulationen über eine Abkehr Chinas von der Null-Covid-Politik Investoren zu Käufen animiert. Am Nachmittag bekamen dann aber die Hoffnungen auf ein weniger rasantes Tempo bei den Fed-Zinserhöhungen durch robuste US-Wirtschaftsdaten einen Dämpfer, sodass die Anleger wieder etwas vorsichtiger agierten.
Zum Handelsende verbuchte der EuroStoxx 50 noch einen Aufschlag von 0,93 Prozent auf 3651,02 Punkte. Nach seinem neunprozentigen Plus im Oktober gelang dem Eurozonen-Leitindex somit auch ein positiver Start in den November. Für den französischen Cac 40 ging es am Dienstag um 0,98 Prozent auf 6328,25 Punkte hoch. Der britische FTSE 100 stieg um 1,29 Prozent auf 7186,16 Zähler.
Die Fed gibt am Mittwoch ihre Zinsentscheidung bekannt. Marktteilnehmer rechnen fest mit einer erneut kräftigen Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte zur Bekämpfung der hohen Inflation. Achten werden die Anleger aber vor allem auf die Aussagen der Währungshüter zum weiteren geldpolitischen Kurs, wobei es um die Frage geht, ob die Fed künftig die Zinsen weiter schnell und deutlich anhebt oder – zur Freude von Aktienanlegern – eher etwas vom Gas geht.
Die Nachrichten zu China gaben vor allem dem Rohstoffsektor Schwung, der als gefragteste Branche in der Stoxx-600-Übersicht um 3,4 Prozent zulegte. In London legten Anglo American um gut sechs Prozent zu. Glencore, Antofagasta und Rio Tinto gewannen zwischen vier und fünf Prozent. Zudem stiegen Luxusaktien kräftig. Im EuroStoxx rückten Hermes um drei Prozent und Kering um 2,8 Prozent vor.
Favorit im EuroStoxx jedoch waren die Aktien der Beteiligungsgesellschaft Prosus, für die es nach der deutlichen Vortageserholung um weitere 9,3 Prozent hoch ging. An diesem Tag halfen die Gewinne der Internet-Aktie Tencent, die in Hongkong um rund elf Prozent hochschoss. Prosus ist an Tencent mit 28 Prozent beteiligt. Einerseits halfen den Aktien nun die Spekulationen aus China. Andererseits gab es Gerüchte, dass der südafrikanische Prosus-Mutterkonzern Naspers über den Verkauf seines Tencent-Anteils verhandelt. Sie wurden allerdings von Naspers zurückgewiesen.
BP vollzogen nach vorgelegtem Quartalsbericht eine Berg- und Talfahrt und schlossen 1,4 Prozent höher. Analyst Christyan Malek von der US-Bank JPMorgan sprach wie andere Analysten zwar auch von einem starken Ergebnis je Aktie des Öl- und Gaskonzerns. Allerdings hätten Handels- und Einmaleffekte in der Gas- & Low Carbon-Sparte das Ergebnis geprägt. Zudem seien die neu angekündigten Aktienrückkäufe in Summe geringer als jene aus den vorangegangenen Quartalen.
Die Aktien der britischen Ocado Group schnellten angesichts einer exklusiven Vereinbarung mit dem Lebensmittelhändler Lotte Shopping steil nach oben. Im FTSE 100 waren sie mit einem Plus von fast 39 Prozent der unangefochtene Spitzenwert. Der Entwickler automatischer Liefersysteme soll den Ausbau des Online-Lebensmittelgeschäfts der Südkoreaner übernehmen. Lotte Shopping betreibt Kaufhäuser, Supermärkte und E-Commerce in Südkorea. (awp/mc/ps)