Europa-Schluss: Börsen wegen Inflationsängsten im Abwärtssog
Paris / London – Europas Aktien sind am Freitag in den Sog schwacher Überseebörsen geraten. Der weiterhin starke Anstieg der Renditen am US-Anleihemarkt schürt bei den Börsianern Inflationsängste. Dies hatte am Vorabend bereits die Wall Street belastet, und auch in Asien war es in der Folge deutlich abwärts gegangen.
Äusserungen aus den Reihen der Europäischen Zentralbank (EZB) konnten die wachsenden Inflationssorgen nur zwischenzeitlich dämpfen. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel signalisierte eine weitere Stützung der Wirtschaft, falls dies durch einen starken Anstieg der Kapitalmarktzinsen notwendig werde. Das nahm den zuletzt deutlich gestiegenen Renditen für europäische Staatsanleihen prompt den Wind aus den Segeln und stützte zeitweilig den Aktienmarkt.
Der EuroStoxx 50 schloss nach einer Berg- und Talfahrt 1,33 Prozent tiefer bei 3636,44 Punkten. Auf Wochensicht steht ein Minus von 2,07 Prozent zu Buche. Im Monat Februar aber schaffte das Börsenbarometer ein Plus von 4,5 Prozent.
Der Cac 40 ging am Freitag 1,39 Prozent tiefer bei 5703,22 Punkten aus dem Handel. Der britische FTSE 100 («Footsie») sackte gar um 2,53 Prozent auf 6483,43 Punkte ab. In London knickten insbesondere schwer gewichtete Rohstoffwerte ein. Sie waren in den vergangenen Tagen mit der Aussicht auf eine Erholung der Weltwirtschaft durch die Impfkampagnen besonders stark gestiegen; nun machten die Anleger Kasse.
Steigende US-Zinsen werden zum Problem für die Märkte, da mit ihnen das wichtigste Argument für den aktuellen Börsenhype angegriffen wird: Die Aussicht auf noch länger weit geöffnete Geldhähne der Währungshüter. Während die US-Notenbank eine Zinserhöhung vor 2023 als unwahrscheinlich ansehe, preisten die Anleihemärkte derzeit ein früheres Ende der lockeren Geldpolitik ein, schrieb Marktbeobachter Milan Cutcovic vom Handelshaus Axitrader. «Das Argument von nicht zwangsläufig zu hohen Bewertungen am Aktienmarkt aufgrund tiefer Zinsen droht an Schlagkraft zu verlieren.»
Unter den Einzelwerten bestimmte die Bilanzsaison weiterhin die Nachrichtenlage. Aktien des französischen Versorgers Engie verloren mehr als vier Prozent. Der Konzern hatte wegen der wirtschaftlichen Folgen durch die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr im Tagesgeschäft rund ein Fünftel weniger verdient. Goldman-Sachs-Analyst Rakesh Patel sprach zudem von einem schwächeren Ausblick, der sich aber mit Verkäufen und Sondereffekten erklären lasse.
In der Schweiz gehörten die LafargeHolcim-Anteile mit 2,5 Prozent Minus zu den grössten Verlierern im Leitindex SMI. Der Baustoffkonzern hatte im schwierigen Corona-Jahr ebenfalls deutlich weniger verdient.
Positiver Ausreisser im trüben Marktumfeld war IAG. Die Papiere der British-Airways-Mutter gewannen an der «Footsie»-Spitze rund drei Prozent. Der Konzern hatte zwar wegen des nahezu brachliegenden Flugverkehrs im vergangenen Jahr einen Verlust von fast sieben Milliarden Euro verbucht, Branchenkenner lobten aber die stark gestiegene Liquidität des Konzerns. (awp/mc/ps)