Europa-Schluss: EuroStoxx leidet unter Rekordinflation in der Eurozone
Paris / London – Die rekordhohe Inflation in der Eurozone hat am Mittwoch die Anleger an Europas Börsen verschreckt. Als Belastung hinzu kamen der verhaltene Handelsstart an der tonangebenden Wall Street und die anhaltenden Konjunktursorgen, die sich in den weiter nachgebenden Rohstoffpreisen widerspiegelten. Die wichtigsten Aktienindizes schlossen jeweils rund ein Prozent tiefer.
Der EuroStoxx 50 büsste 1,25 Prozent auf 3517,25 Punkte ein. Sein Verlust im August beläuft sich damit auf 5,15 Prozent. Die Gewinne aus dem Monat Juli von mehr als 7 Prozent sind damit ein gutes Stück weit dahin.
Der französische Cac 40 fiel am Mittwoch um 1,37 Prozent auf 6125,10 Punkte. In London sank der FTSE 100 um 1,05 Prozent auf 7284,15 Zähler.
Die Inflation in der Eurozone beschleunigte sich im August auf hohem Niveau weiter und erreichte abermals einen weiteren Rekordwert. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Verbraucherpreise um 9,1 Prozent.
«Die Inflationsdynamik ist im August grösser als erwartet», konstatierte Thomas Gitzel, Volkswirt bei der VP Bank in Liechtenstein. Für die Europäische Zentralbank seien dies keine guten Nachrichten, denn «die europäischen Währungshüter haben es versäumt, rechtzeitig den Hebel herumzulegen.» Nun hinkten sie der Teuerungsentwicklung hinterher.
Laut Gitzel muss die Europäische Zentralbank (EZB) jetzt dringend handeln und ein Gegensteuern klar signalisieren, indem sie im September den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte erhöht. Das jedoch fürchten zugleich die Anleger an den Börsen, denn alternative Anlageprodukte wie Anleihen können damit attraktiver werden als Aktien. Zudem können höhere Zinsen die Wirtschaft bremsen, was ebenfalls negativ für Aktienkurse ist. Eine dauerhaft hohe Inflation wäre aber noch schädlicher für die Wirtschaft.
Am Freitag hatte bereits US-Notenbankchef Jerome Powell die Märkte auf eine weiterhin straffe Geldpolitik der Fed im Kampf gegen die Inflation eingestimmt und damit für Druck an den Börsen gesorgt.
Unter den europäischen Branchen litt der Öl- und Gassektor mit minus 2,6 Prozent stark unter den weiter fallenden Preisen für Rohöl, das als Schmiermittel der Weltwirtschaft gilt. Angesichts zahlreicher Belastungsfaktoren, darunter die global hohe Inflation, gelten die Wirtschaftsaussichten für weite Teile der Welt als schlecht. Besonders betroffen ist Europa angesichts seiner hohen Abhängigkeit von russischem Erdgas und stark verminderten Gaslieferungen seitens Russland.
Die Anteile von Renault zogen derweil an der Spitze im Cac 40 um 1,6 Prozent an. Hier gab es Spekulationen über Gespräche mit Geely Automobile Holdings sowie einem nicht namentlich genannten Ölkonzern über die Übernahme von Anteilen an der Verbrennungsmotorensparte der Franzosen. Laut der Investmentbank Stifel wäre ein solcher Schritt positiv. Dabei zieht der Analyst einen Vergleich zur Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Aurobay, wodurch es Geely und Volvo Cars möglich wurde, ihre Antriebsaktivitäten zu bündeln, um Kosten zu optimieren.
Die Anteile des niederländischen Handelskonzerns Ahold Delhaize stemmten sich nach einem positiven Analystenkommentar ebenfalls gegen den schwachen Gesamtmarkt und legten um 0,2 Prozent zu. Angesichts eines bevorstehenden «harten Winters» mit Rezessionsrisiken, der Stromversorgungskrise und einer weiteren Verschlechterung des Konsumverhaltens sei das Papier eines der sichersten unter den von ihm beobachteten Werten, schrieb Analyst Clement Genelot vom Investmenthaus Bryan Garnier.
Im Mailand kletterten die Aktien der Unicredit um viereinhalb Prozent in die Höhe, nachdem die EZB ihre Zustimmung zur zweiten Tranche des 2021 aufgelegten Aktienrückkaufprogramms gegeben hatte. (awp/mc/ps)