Paris/London – Der EuroStoxx50 ist am Donnerstag auf Erholungskurs geblieben. Die deutliche Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgte zwar im Handelsverlauf für Schwankungen, änderte jedoch letztlich nichts an dem Gesamtbild. Weiterhin wird zwar wird befürchtet, dass die steigenden Zinsen das Wirtschaftswachstum abwürgen. Umgekehrt aber ist die hohe Inflation noch schädlicher.
Der EuroStoxx50 als Leitindex der Eurozone ging 0,29 Prozent höher bei 3512,38 Punkten aus dem Handel, nachdem er zwischenzeitlich um bis zu 1,36 Prozent abgesackt war.
Die freundliche Wall Street aber verhalf dem Börsenbarometer wieder in die Gewinnzone. Dies- und jenseits des Atlantiks stützen Bankenwerte die Indizes. Höhere Zinsen stärken tendenziell die Ertragskraft der Finanzinstitute. Der EuroStoxx verzeichnet damit den dritten Anstieg in Folge, nachdem er am Montag noch angesichts der sich zuspitzenden Gaskrise in Europa abgesackt war.
An der Pariser Börse stieg der Cac 40 am Donnerstag um 0,33 Prozent auf 6125,90 Punkte. Der Londoner Leitindex FTSE 100 legte ebenfalls um 0,33 Prozent zu, und zwar auf 7262,06 Punkte.
Die Rekordinflation im Euroraum treibt die Euro-Währungshüter zur grössten Zinserhöhung der EZB-Geschichte. Die Notenbank hebt den Leitzins im Euroraum trotz wachsender Sorgen vor einem Absturz der Wirtschaft in eine Rezession um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent an. Die Teuerungsraten seien «nach wie vor deutlich zu hoch», begründete die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde.
Aussagen von Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Leitzinsentscheid hatten die Märkte nur kurz unter Druck gesetzt. Lagarde betonte, die Inflation dürfte kurzfristig weiter steigen. Die EZB-Präsidentin erwartet eine substanzielle Abschwächung der Wirtschaft. Die schwächere Wirtschaft wiederum dürfte zu höherer Arbeitslosigkeit führen.
«Die EZB traut sich was. Der Zinsschritt war überfällig», schrieb Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. In Anbetracht einer Inflationsrate von 9,1 Prozent müssen die europäischen Währungshüter Gitzel zufolge schleunigste auf ein höheres Leitzinsniveau kommen. Es gehe auch darum, keinen vollständigen Vertrauensverlust zu erleiden. Das Ansehen der EZB habe in Anbetracht des zögerlichen Vorgehens ohnehin bereits gelitten.
Michael Heise, Chefökonom beim Vermögensverwalter HQ Trust, ergänzte: «Es ist für die Wirtschaft besser, wenn die EZB die Zinsen schnell anhebt, anstatt das Bremsmanöver und die Unsicherheit über lange Zeit zu strecken.» Mit der Anhebung der Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte sende die Europäische Zentralbank ein Signal der Entschlossenheit im Kampf gegen die Inflation. Angesichts der Wertverluste des Euro sei diese späte Einsicht dringend erforderlich. Die Normalisierung der nach wie vor expansiven Geldpolitik werde aber mit weiteren Zinsanhebungen fortgesetzt werden müssen, um die Inflation einzudämmen.
Bei den Einzelwerten fielen besonders die Papiere von AB Foods in London mit einem Abschlag von 7,6 Prozent negativ auf. Wegen der rasanten Teuerung und der eingetrübten Konsumstimmung hatte der Mischkonzern die Anleger zuvor auf einen Gewinnrückgang für das kommende Geschäftsjahr eingestimmt.
Atos-Aktien kamen nach einer skeptischen Studie der US-Bank Goldman Sachs unter die Räder, die Papiere des französischen IT-Dienstleisters knickten um mehr als 15 Prozent ein. Analyst Mohammed Moawalla stellte Atos eine maue Finanzprognose für die kommenden eineinhalb Jahre aus und bezeichnete die Umbaupläne der Firma als «ehrgeizig». (awp/mc/pg)