Paris / London – Europas Aktienmärkte haben ihren Abwärtstrend am Mittwoch weiter verschärft. Sorgen bereitete Anlegern die Gemengelage aus trüber Konjunktur und einer weiteren Eskalation der Energiekrise mit Russland. Zudem deuteten Aussagen von Notenbankern in den USA und Europa auf eine weiterhin restriktive Geldpolitik hin.
Unter diesen Vorzeichen schlitterte der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx50 am Mittag um 1,8 Prozent auf 3269,07 Punkte nach unten. Ähnlich trübe sah es in London und Paris aus: Der französische Cac 40 rutschte um 1,5 Prozent auf 5668,16 Zähler ab, während der britische FTSE 100 um 1,8 Prozent auf 6859,98 Punkte verlor.
Als Belastung erwiesen sich Aussagen von James Bullard, dem Präsidenten der Notenbank von St. Louis. Ihm zufolge sind mehr Zinserhöhungen erforderlich, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Zudem seien die Risiken für die Wirtschaft weiterhin erhöht. Ähnlich entschlossen äusserte sich die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am Mittwoch. Wenn die EZB ihren Auftrag zur Gewährleistung von Preisstabilität nicht erfülle, «würde das der Wirtschaft viel mehr schaden».
Wie verwundbar die europäische Wirtschaft durch ihre Energieversorgung ist, darauf wies Jochen Stanzl hin, Marktanalyst von CMC Markets. Am Vortag waren Lecks an Gas-Pipelines aus Russland bekannt geworden, hinter denen die Europäische Union Sabotage vermutet. Sorgen bereitetem dem Analysten zudem Drohnenflüge über norwegischen Gasförderanlagen. Für die Europäische Union (EU), die ein Viertel ihres Bedarfs aus Norwegen beziehe, hätte ein Schaden an der Pipeline dramatische Folgen. «Was sich hier zusammenbraut, ist ein perfekter Sturm gegen die Volkswirtschaften der EU.»
Der Abwärtstrend am Aktienmarkt erfasste zur Wochenmitte vor allem den Bankensektor, den nicht nur die konjunkturelle Eintrübung belastet. Unter Druck gerieten die Papiere auch wegen anstehender Milliardenstrafen in den USA. So gaben etwa ING um 4,9 Prozent nach und Credit Suisse um 6,3 Prozent. Die US-Börsenaufsicht SEC verdonnerte insgesamt 16 Unternehmen aus der Finanzbranche zu einer Strafe von gut 1,1 Milliarden Dollar (knapp 1,15 Mrd Euro). Grund war die ungeregelte Kommunikation über Messenger-Dienste wie WhatsApp. Zum anderen mindert die schwächelnde Konjunktur die Aussicht auf Kreditgeschäfte.
Stahlwerte gingen derweil infolge einer JPMorgan-Studie auf Tauchstation. Der Analyst Luke Nelson geht davon aus, dass die Profitabilität der Branche in den kommenden drei bis vier Quartalen nochmals das Level der Corona-Tiefs von 2020 sehen wird. Sinkende Preise und steigende Kosten zehrten an den Gewinnen, und die Volumina blieben bei schwacher Nachfrage der Auto- und Bauindustrie mau. Papiere von ArcelorMittal mussten einen Abschlag von 6,7 Prozent verkraften, während Aktien von Voestalpine um 8,1 Prozent nachgaben.
Aufwärts ging es hingegen für einige Werte der Pharmabranche, nachdem der US-Konzern Biogen und sein japanischer Forschungspartner Eisai Co positive Studiendaten zu ihrem Alzheimer-Medikament Lecanemab verkündeten. Analysten sahen dies positiv, die Experten der US-Bank JPMorgan zogen zudem positive Vergleiche zu den aktuellen Forschungen von Roche und dem deutschen Partner Morphosys . Die Papiere des Schweizer Pharmakonzerns legten am Mittag um fünf Prozent zu. (awp/mc/pg)