Europa-Schluss: US-Inflationsdaten verhelfen letztlich zu Gewinnen
Paris / London – Eine ausgeprägte Berg- und Talfahrt hat am Donnerstag den Verlauf der europäischen Börsen bestimmt. Auslöser waren die Verbraucherpreise aus den USA, die die Erwartungen verfehlt hatten. Das dürfte laut Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners dazu geführt haben, dass in vielen Handelssystemen automatisch Verkäufe ausgelöst wurden. Doch enthielten die September-Daten auch Positives, betonten er und Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Und dass die US-Notenbank Fed ihren Leitzins Anfang November wohl ein viertes Mal um 0,75 Prozent anheben dürfte, sollte am Markt inzwischen auch kaum mehr überraschen und damit eingepreist sein.
Der EuroStoxx 50, der nach den US-Inflationsdaten zeitweise um mehr als zwei Prozent abgesackt war, schloss mit einem Plus von 0,93 Prozent auf 3362,40 Punkte. In Paris gewann der Leitindex Cac 40 nach einem kräftigen Auf und Ab 1,04 Prozent auf 5879,19 Punkte. Der britische FTSE 100 legte schliesslich um 0,35 Prozent auf 6850,27 Punkte zu.
Wie das US-Arbeitsministerium am Nachmittag mitgeteilt hatte, stiegen die Verbraucherpreise im September im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,2 Prozent und damit etwas deutlicher als erwartet. Im August allerdings hatte die Inflationsrate noch 8,3 Prozent betragen. Die Kerninflation, die die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise aussen vor lässt, stieg von 6,3 auf 6,6 Prozent. Auch diese Rate lag über den Markterwartungen.
Allerdings verwiesen Experten auch auf die positive Seite der Daten. «Die Jahresrate ist den dritten Monat in Folge gesunken», so Altmann. Damit stimme zumindest die Richtung, auch wenn der Pfad deutlich flacher als erhofft verlaufe. Volkswirt Gitzel ergänzte: «Der Ausblick auf die weitere Teuerungsentwicklung lässt durchaus die Schlussfolgerung zu, dass die meiste Arbeit der Fed getan ist.»
Branchenseitig war der Lebensmittel- und Getränkesektor unter den wenigen Verlierern in Europa das Schlusslicht mit minus 1,1 Prozent. Der Reise- und Freizeitsektor dagegen wartete mit einem Plus von 3,4 Prozent auf.
Den 0,7-prozentigen Verlust der ASML-Papiere begründeten Marktexperten mit Aussagen des US-Halbleiteranlagenbauers Applied Materials . Dieser hatte am Mittwochabend seine Umsatzprognose gesenkt.
Unter den Einzelwerten im EuroStoxx waren die Aktien des Triebwerksbauers Safran mit plus 4,9 Prozent und des Flugzeugbauers Airbus mit plus 3,9 Prozent die Favoriten. Im Schweizer SMI hatten die Anteile der Credit Suisse nach der jüngsten Verkaufswelle mit plus 6,4 Prozent die Nase vorn, gefolgt von den Papieren der UBS, die um 3,5 Prozent stiegen.
Gewinne verzeichneten ausserdem Ölwerte. Nach schwächeren Ölpreisen in den vergangenen drei Handelstagen ging es nun wieder nach oben. Sorgen vor einem Abflauen der Weltwirtschaft und einem damit verbundenen Rückgang der Nachfrage rückten wieder in den Hintergrund. Sie waren ausgelöst worden, nachdem der Internationale Währungsfonds (IWF) die Prognose für das globale Wirtschaftswachstum gesenkt hatte. JPMorgan-Analyst Christyan Malek favorisiert in einer Branchenstudie die Papiere von Totalenergies, Eni und Shell, wobei er die zwei letztgenannten auf die «Positive Catalyst Watch»-Liste setzte. Eni kletterten um 2,6 Prozent, Shell gewannen 1,5 Prozent und Totalenergies 3,1 Prozent. (awp/mc/ps)