Paris / London – Die Anleger an Europas Festlandbörsen haben sich nach den deutlichen Verlusten zu Wochenbeginn zurückgehalten. Die wichtigsten Aktien-Indizes bewegten sich am Dienstag nur wenig. Vor einer Rede des Vorsitzenden der US-Notenbank hielten die Anleger die Füsse still. «Im Lichte der starken Arbeitsmarktentwicklung könnte der Fed-Chef erneut Zinserhöhungserwartungen anfeuern, denn Jerome Powell hatte bereits des Öfteren den engen Arbeitsmarkt als Inflationsrisiko betont», merkten die Volkswirte der Landesbank Hessen-Thüringen an.
Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 schloss 0,09 Prozent im Plus bei 4209,31 Punkten. Für den französischen Cac 40 ging es um 0,07 Prozent auf 7132,35 Punkte nach unten. Der britische FTSE 100 legte dank der Stärke der Ölwerte um 0,36 Prozent auf 7864,71 Punkte zu. Er war am Freitag im Handelsverlauf auf ein Rekordhoch geklettert.
Die Daten zur deutschen Industrieproduktion zeigten mehr Schatten als Licht. «Die Dezember-Misere in Deutschland setzt sich fort. Mit Ausnahme der Auftragseingänge sah es im letzten Monat des Jahrs ziemlich mau aus», stellte Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank fest. «Einzelhandelsumsätze, Exporte und jetzt die Industrieproduktion lagen satt im Minus.»
In der europäischen Branchenübersicht setzten sich Ölwerte mit einem Plus von rund drei Prozent klar an die Spitze. Steigende Ölpreise und starke Geschäftszahlen von BP trieben an. Der Konzern hatte im vergangenen Jahr wie alle grossen Sektorunternehmen operativ glänzend verdient. Dank des hohen Geldzuflusses aus dem operativen Geschäft will BP die Dividende erhöhen und kündigte den Rückkauf weiterer Aktien an. Die Papiere schnellten um acht Prozent in die Höhe und waren damit der klare Favorit im FTSE 100.
Die Ölpreise profitieren aktuell von der steigenden Zuversicht für die konjunkturelle Entwicklung. Dazu trägt vor allem die Abkehr Chinas von seiner strengen Corona-Politik bei. Marktbeobachter verwiesen zudem auf die jüngste Preispolitik des staatlichen saudischen Ölkonzerns Saudi Aramco. Der habe die Preise für Rohöl erhöht, das nach Asien geliefert werde. Hintergrund ist auch hier ein wachsender Optimismus mit Blick auf die Entwicklung der Nachfrage in China.
Gefragt waren auch Bankaktien. Hier kamen die Geschäftszahlen von BNP Paribas gut an. Die französische Grossbank hatte im vergangenen Jahr dank der höheren Zinsen den Gewinn auf mehr als zehn Milliarden Euro gesteigert. Da sie zudem nun auch viel Geld aus dem Verkauf des US-Instituts Bank of West an die Bank of Montreal einnehmen, wollen die Franzosen rund fünf Milliarden Euro in den Rückkauf eigener Anteile stecken. Ausserdem erhöhte die Bank das Ziel für die Eigenkapitalrendite im Jahr 2025 etwas. An der Börse sorgte all das für ein Plus von 2,6 Prozent.
In Zürich erlebten die Aktien des Halbleiterunternehmens AMS-Osram ein Kursdesaster. Der Papiere brachen nach bislang gutem Lauf um mehr als 17 Prozent ein – vor allem wegen des sehr enttäuschenden Ausblicks. Für das erste Quartal sieht das Unternehmen eine geschwächte Nachfrage in wichtigen Märkten.
Die Anteilscheine des Banksoftware-Herstellers Temenos hingegen profitierten von spekulativen Käufen und zogen um fast sechs Prozent an. Ein Händler verwies auf einen Bericht des Finanzblogs «Dealreporter». Demnach sind die Private-Equity-Firmen Nordic Capital und KKR an Temenos interessiert. «Über Temenos kursieren immer wieder Übernahmespekulationen, die von heftigen Kursbewegungen begleitet sind», sagte ein anderer Marktteilnehmer. (awp/mc/ps)