Paris / London – Die Politik hat vor dem Wochenende und der zweiten Runde der Parlamentswahlen in Frankreich die Börsen dominiert und die Kurse belastet. Nach anfänglichen Kursgewinnen liessen am Freitagnachmittag Aussagen der Politikerin Marine Le Pen vom Rassemblement National (RN) die Börsen ins Minus drehen. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx50 schloss 0,16 Prozent niedriger bei 4.979,39 Punkten. Die Wochenbilanz ist mit plus 1,7 Prozent gleichwohl klar positiv.
Le Pen hatte Hochrechnungen zurückgewiesen, denen zufolge ihre rechtsnationale Bewegung RN am Sonntag die absolute Mehrheit deutlich verfehlen dürfte. Stattdessen warnte sie vor chaotischen Zuständen, falls der RN kein Regierungsmandat erhalten sollte. Daraufhin drehten die europäischen Aktienmärkte nach unten. In Paris gab der Leitindex Cac 40 um 0,26 Prozent auf 7.675,62 Zähler nach.
Der britische FTSE 100 schloss 0,45 Prozent tiefer bei 8.203,93 Punkten. Im frühen Handel hatte der «Footsie» noch ein halbes Prozent zugelegt. Der Regierungswechsel in Grossbritannien, bei dem die frühere Oppositionspartei Labour unter Parteichef Keir Starmer die Konservativen des bisherigen Regierungschefs Rishi Sunak ablöst, hatte keinen grösseren Einfluss auf das Londoner Börsengeschehen.
Der Blick gilt nun den Wahlen in Frankreich. «Wir rechnen im Falle einer absoluten rechtsextremen Mehrheit mit erhöhter Volatilität, was jedoch aus unserer Sicht auf Basis des ersten Wahlgangs und der Entwicklungen seither unwahrscheinlicher geworden ist», merkte Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck, dazu an. Grösser sei die Wahrscheinlichkeit für ein «Parlament ohne echte Mehrheit und damit deutlich schwierigeren weitreichenden politischen Entscheidungen in Frankreich.» Darauf sei der Markt vorbereitet.
Im europäischen Branchenvergleich zählten Technologiewerte zu den Gewinnern. Halbleitertitel reagierten mit Aufschlägen auf Aussagen des südkoreanischen Samsung-Konzerns . Steigende Chippreise infolge der starken Nachfrage nach Künstlicher Intelligenz (KI) hatten die Geschäfte des Elektronikriesen zuletzt beflügelt. Im Ausblick für die Monate April bis Juni geht der Marktführer für Speicherchips davon aus, dass der operative Gewinn im Jahresvergleich um mehr als das Fünfzehnfache gestiegen ist.
Mit dieser Vorgabe legten die Aktien des Zulieferers ASML um knapp ein Prozent zu. Für die Aktien von AMS-Osram ging es sogar um mehr als 5 Prozent nach oben.
Auch Immobilienwerte waren gefragt. Der zinssensible Sektor knüpfte an die Vortagesgewinne an. Gefragt waren britische Immobilientitel. Analysten verschiedener Häuser bezeichneten den Sieg von Labour als günstig für die Unternehmen der Branche.
Mit den Bauwerten ging es ebenfalls aufwärts. Hier ragte das Branchenschwergewicht Vinci mit plus 1,8 Prozent hervor. Die Bank JPMorgan erhöhte das Kursziel und riet dazu, die Aktien des Konzerns überzugewichten.
Bankaktien schwächelten dagegen. Nordea-Aktien verloren 2 Prozent. Die Grossbank muss sich in Dänemark wegen Versäumnissen im Kampf gegen Geldwäsche in Milliardenhöhe vor Gericht verantworten. Die dänische Sondereinheit für schwere Kriminalität hat nach jahrelangen Ermittlungen Anklage gegen die Bank wegen umfassender Verstösse gegen das Geldwäschegesetz im Zeitraum von 2012 bis 2015 erhoben. (awp/mc/pg)