Europa-Schluss: Hoffnung auf russische Gaslieferung treibt die Märkte
Paris / London – Am Dienstag ist am europäischen Aktienmarkt bei den Anlegern die Kauflust schwungvoll zurückgekehrt. Der EuroStoxx 50 drehte nach schwachem Auftakt ins Plus, als sich ein positiver Start an den US-Börsen abzeichnete. Die Rally wurde dann verstärkt von der Hoffnung, dass die russischen Gaslieferungen nach der Wartungspause der Pipeline Nord Stream 1 wieder anlaufen.
Zum Schluss heimste der EuroStoxx ein Plus von 2,15 Prozent auf 3587,44 Zähler ein, nachdem er im früh erreichten Tagestief auch schon 1,1 Prozent verloren hatte. Auch in Paris und London drehten die Länder-Leitindizes ins Plus: Der französische Cac 40 stieg um 1,79 Prozent auf 6201,22 Punkte, während der britische FTSE 100 1,01 Prozent auf 7296,28 Punkte gewann.
Gerüchte machten die Runde, dass die Verteilung von russischem Gas über die Pipeline Nord Stream 1 am Donnerstag nach Abschluss der plangemässen Wartungsarbeiten pünktlich wieder aufgenommen werden könnte. Ein Zeichen der wieder anziehenden Risikobereitschaft war aber auch eine rapide Erholung des Euro wegen Spekulationen, dass die EZB am Donnerstag eine stärkere Anhebung um 0,5 Prozentpunkte planen könnte.
Wie gross der Druck ist, belegten am Dienstag neue Daten. Die Inflation in der Eurozone hatte sich im Juni weiter beschleunigt und abermals einen Rekordwert erreicht. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Verbraucherpreise um 8,6 Prozent. Im Fokus blieb derweil auch die Unsicherheit, wie es in Italien mit der Personalie von Regierungschef Mario Draghi weiter geht.
Mit dem Marktumfeld drehte sich auch das Sektorbild: Anfangs waren noch defensivere Sektoren wie Pharma oder Versorger gefragt, letztlich aber setzten sich eher konjunktursensitive an die Spitze wegen der Hoffnung, dass die Gasversorgungslage vielleicht doch nicht so schlimm wird wie befürchtet. Allen voran galt dies für den Autosektor, der mit 3,1 Prozent die Spitze erklomm, dicht vor den Banken mit einem Kursplus von 2,9 Prozent. Für sie können schnell steigende Zinsen ausserdem im Alltagsgeschäft mit Krediten von Vorteil sein.
Individuell stand der Versorger EDF im Blickfeld. Die seit einer Woche vom Handel ausgesetzten Aktien des französischen Energiekonzerns schnellten am Dienstag um fast 15 Prozent nach oben. Der französische Staat will den hochverschuldeten Versorger, an dem er bereits 84 Prozent der Anteile hält, komplett verstaatlichen und bietet zwölf Euro je Aktie.
Eher träge entwickelten sich im Bankensektor die Aktien der UBS, die in Zürich in dem starken Branchenumfeld nur 0,5 Prozent zulegten. Barclays hatte die Schweizer Grossbank auf «Underweight» abgestuft und das Kursziel auf 15 Franken gesenkt. Das Vermögensmanagement der schweizerischen Kreditinstitute dürfte auf absehbare Zeit enttäuschen, schrieb Analyst Amit Goel. UBS gaben um 1,1 Prozent nach.
Im erweiterten Autosektor überzeugte der schwedische Nutzfahrzeughersteller Volvo mit der Aussage, dass eine Verlangsamung der Weltwirtschaft die Nachfrage noch nicht belaste. Die beiden Aktiengattungen zogen hier in Stockholm jeweils um etwa 3,5 Prozent an. Der Lkw-Hersteller vermeldete einen besser als erwarteten Gewinn für das zweite Quartal.
Einige Einzelwerte blieben allerdings unter den Verlierern: Der französische Zughersteller Alstom etwa gehörte mit einem Abschlag von 2,6 Prozent dazu. Die vorgelegten Quartalszahlen galten hier nicht als Stolperstein, sondern vielmehr die Warnung des Konzerns vor Herausforderungen durch die Inflation und den Mangel an elektronischen Komponenten.
In der Schweiz fielen noch die Aktien des Inspektionskonzerns SGS mit einem Abschlag von 2,4 Prozent negativ auf. Im Zuge der Halbjahreszahlen hatte das Unternehmen die Erwartungen mit dem operativen Ergebnis und dem Reingewinn verfehlt. Ausserdem formulierte das Unternehmen die Prognose für die operative Marge im Gesamtjahr etwas vorsichtiger als noch im Januar. (awp/mc/ps)