Europa-Schluss: Frust über womöglich nur eine US-Zinssenkung 2024
Paris / London – Die Aussicht auf womöglich nur eine Leitzinssenkung in den USA in diesem Jahr hat am Donnerstag die Börsenstimmung in Europa belastet. Hinzu kam, dass in der Euroregion die Industrieproduktion im April zurückgegangen war, statt wie erwartet zu steigen. Zudem wurden die Produktionsdaten des Vormonats nach unten revidiert. Während in den USA vor allem die technologielastige Nasdaq-Börse neue Rekorde aufstellte, ging es europaweit an den Aktienmärkten abwärts. Da half es auch nicht, dass die Erzeugerpreise in der weltgrössten Volkswirtschaft im Mai geringer als erwartet gestiegen waren.
Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 beendete den Handel mit einem Abschlag von 1,97 Prozent auf 4935,50 Punkte. Für den französischen Cac 40 ging es um 1,99 Prozent auf 7708,02 Punkte nach unten. Der britische FTSE 100 sank um 0,63 Prozent auf 8163,67 Punkte.
Für Ernüchterung sorgte an den Börsen Europas vor allem die Sitzung der US-Notenbank tags zuvor. Die Leitzinsprojektionen bezeichneten die Experten der Landesbank Baden-Württemberg als «verunsichernd». Den überraschenden Inflationsrückgang habe Fed-Chef Jerome Powell zwar als ermutigend bezeichnet, zugleich aber die Notwendigkeit von noch mehr «guten Daten» betont.
Sämtliche Branchen Europas gaben nach, wobei sich der Banken- und der Automobilsektor besonders schwach zeigten. Letztgenannter reagierte erneut auf angedrohte europäische Sonderzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge. «Die geplanten Strafzölle können sehr schnell nach hinten losgehen», warnte Marktexperte Andreas Lipkow und verwies auf eine mögliche Reaktion Chinas.
Auch andere zyklische Sektoren wie Chemie und Rohstoffe standen unter Druck. Gegen diesen Trend konnte sich letztlich auch die Aktie von Norsk Hydro nicht stemmen und verlor 0,8 Prozent. Die US-Investmentbank Goldman Sachs hatte die Bewertung der Aktie mit «Buy» und einem Kursziel von 93 norwegischen Kronen wieder aufgenommen. Norsk Hydro sei einer der wenigen breit aufgestellten Aluminiumhersteller und dabei, sich als Branchenführer zu positionieren, schrieb Analyst Matt Greene. Mit einer möglichst CO2-armen Produktion sowie dem Ausbau der Schrottrecycling-Kapazitäten stärke der Konzern seine einzigartige Position als Anbieter einer Reihe von Lösungen für «grünes» Aluminium.
Besser sah es bei defensiven Werten aus. Sowohl Pharma- und Medienwerte als auch Telekommunikationsaktien verloren unterdurchschnittlich. Die Aktie des Medienschwergewichts Relx etwa stemmte sich erfolgreich gegen den Abwärtstrend und markierte ein Rekordhoch. Aus dem Rahmen fielen allerdings Telefonica mit minus 2,4 Prozent. Die Deutsche Bank hatte die Aktie auf «Sell» abgestuft und das Kursziel gesenkt. Die Spanier seien inzwischen eines der teuersten Unternehmen der Telekombranche, schrieb Analyst Keval Khiroya. (awp/mc/ps)