Europa-Schluss: Leichte Verluste – Anleger bleiben vorsichtig
Paris / London – Der EuroStoxx 50 hat nach zuletzt herben Verlusten nur noch leicht nachgegeben. Für Beruhigung sorgte am Donnerstag, dass die konjunktursensiblen US-Technologiewerte nicht mehr ganz so stark unter Druck gerieten wie zuletzt. Mit der anhaltenden Aussicht auf eine straffere Geldpolitik der tonangebenden US-Notenbank Fed blieben die Anleger jedoch vorsichtig.
Der Leitindex der Eurozone schloss 0,59 Prozent tiefer bei 3802,01 Punkten. Der französische Cac 40 gab um 0,57 Prozent auf 6461,68 Punkte nach. In London sank der FTSE 100 um 0,47 Prozent auf 7551,81 Punkte.
Börsianer rechnen aktuell fest mit weiter steigenden Kapitalmarktzinsen. Am Vorabend hatte das Protokoll zur jüngsten Sitzung der Fed deren Neigung zu einer raschen geldpolitischen Straffung bestätigt. Hintergrund ist die sehr hohe und voraussichtlich weiter steigende Inflation. Die US-Notenbank will ihre im Zuge der Corona-Krise aufgeblähte Bilanz zügig abschmelzen und schliesst auch grössere Zinsschritte nicht aus.
Die Investoren sollten sich auf einen der stärksten Straffungskurse in der US-Geldpolitik einstellen, schrieb Kapitalmarktstratege Jürgen Molitor vom Handelshaus RoboMarkets. «Die Fed will nicht nur Tempo bei den Zinserhöhungen, sondern auch beim Abbau der Notenbankbilanz machen.»
Gefragt waren vor diesem Hintergrund defensive und damit weniger zinssensible Sektoren wie etwa die Pharmawerte. Aktien aus der Öl- und Gasbranche hingegen fanden sich am Ende des europäischen Sektortableaus wieder. Sie litten darunter, dass die Ölpreise erneut unter Druck geraten waren. Am Ölmarkt zeigen sich mittlerweile immer stärker die Folgen des starken Preisanstiegs im März. Die westlichen Industriestaaten versuchen, mit einer Freigabe der Reserven gegenzusteuern. Zudem ist in den USA die Fördermenge deutlich erhöht.
Unter den Einzelwerten büssten Shell in Amsterdam mehr als zwei Prozent ein. Der Ölkonzern muss für seinen Rückzug aus Russland milliardenschwere Abschreibungen vornehmen. Im Zuge des Überfalls Russlands auf die Ukraine hatte der Konzern Anfang März beschlossen, seine Geschäftstätigkeiten in Russland einzustellen.
An der Spitze des niederländischen Leitindex AEX zogen die Anteilsscheine von Universal Music Group (UMG) um zweieinhalb Prozent an. Laut Analyst Julien Roch von der britischen Investmentbank Barclays profitierten die Papiere des erst vor kurzem an die Börse gegangenen Musikkonzerns von der Ankündigung von Amazon, dass Prime-Kunden in verschiedenen Ländern demnächst mehr für Musikdienste bezahlen müssen.
Zudem fielen in Paris die Aktien von Vinci mit einem Gewinn von knapp ein Prozent auf. Hier hatte Barclays den Wert als neuen Favoriten im Infrastruktursegment bezeichnet, nicht zuletzt wegen einer niedrigen Verschuldung und einer geringen Abhängigkeit von steigenden Verbraucherpreisen. (awp/mc/ps)