Europa-Schluss: Abwärts wegen Ukraine-Krieg und Geldpolitik
Paris / London – Kaum Fortschritte in den Gesprächen zwischen den Kriegsparteien Russland und Ukraine sowie die Aussicht auf eine straffere Geldpolitik in der Eurozone haben die Investoren am Donnerstag Nerven gekostet. Der EuroStoxx 50 als Leitindex für die Eurozone verlor 3,04 Prozent auf 3651,39 Punkte, nachdem er zur Wochenmitte noch um mehr als sieben Prozent nach oben geschossen war. Hoffnungsschimmer im Krieg in der Ukraine und die nachgebenden Rohstoff- und Energiepreise hatten Aktienkäufe ausgelöst.
Der französische Cac 40 gab am Donnerstag um 2,83 Prozent auf 6207,20 Zähler nach. Das Minus für den britischen FTSE 100 fiel mit 1,27 Prozent auf 7099,09 Punkte geringer aus. Hier verhinderten die Kursgewinne von Bergwerkskonzernen wie Glencore , Antofagasta und Anglo American noch grössere Verluste.
Erstmals seit Beginn des Kriegs vor zwei Wochen trafen sich Russlands Aussenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba zu Verhandlungen. Die beiden Politiker kamen in der türkischen Stadt Antalya zusammen. Das Treffen brachte aber keine wesentlichen Fortschritte. Auf diese hatten die Anleger am Vortag noch gesetzt.
Europas Währungshüter steuern derweil trotz neuer Risiken für die Konjunktur auf ein Ende ihrer ultralockeren Geldpolitik zu. Die Europäische Zentralbank (EZB) fährt angesichts einer hohen Inflation ihre milliardenschweren Anleihekäufe früher zurück als geplant und stellt deren Ende im Sommer in Aussicht.
«Die EZB ist entschlossen die geldpolitischen Zügel anzuziehen, um einer Verstetigung der hohen Inflation entgegenzutreten», sagte Volkswirt Ulrich Kater von der Dekabank. Dies stehe unter dem Vorbehalt, dass der Ukraine-Krieg für die Konjunktur im Euroraum wirtschaftlich verkraftbar bleibe. «Damit gibt die EZB der Inflationsbekämpfung Vorfahrt vor den gegenwärtigen wirtschaftlichen Unsicherheiten».
Der als besonders konjunktursensibel geltende Automobilsektor erlitt am Donnerstag mit 4,6 Prozent den grössten Verlust aller Sektoren. Rohstofffirmen legten als einzige Branchen zu und zwar um 1,3 Prozent. Sie profitierten von steigenden Preisen für Eisenerz und Industriemetalle.
Im Mediensektor stiegen die Aktien von Vivendi um 1,5 Prozent, nachdem der Musik-, TV- und Internetkonzern am Vorabend Geschäftszahlen veröffentlicht hatte. Analyst David Kerven von JPMorgan lobte die Gewinnentwicklung im vergangenen Jahr und die mittelfristigen Aussichten.
Der Aromen- und Duftstoffhersteller Givaudan scheine besser auf die steigenden Rohstoffkosten vorbereitet zu sein als im Jahr 2011, schrieb Analyst Thomas Swoboda von Societe Generale. Die Aktien lagen nach Geschäftszahlen an der Züricher Börse lange im Plus, drehten aber mit dem schwachen Gesamtmarkt am Ende ins Minus. (awp/mc/ps)