Paris / London – Die Angst vor wieder zunehmenden handelspolitischen Spannungen zwischen den USA und China hat die Anleger an Europas wichtigsten Aktienmärkten am Montag verschreckt. Hinzu kamen düstere Stimmungsdaten aus der Industrie in der Eurozone. Der EuroStoxx 50 beendete den Handel mit einem Minus von 3,81 Prozent bei 2816,48 Punkten. In Paris verlor der Leitindex Cac 40 4,24 Prozent auf 4378,23 Punkte.
In London sank der FTSE 100 hingegen nur um 0,16 Prozent auf 5753,78 Zähler. Der britische Leitindex hatte die negative Börsenstimmung allerdings bereits am Freitag vorweggenommen, als die anderen grossen europäischen Handelsplätze feiertagsbedingt geschlossen waren, und war um rund 2,5 Prozent eingeknickt.
In der Corona-Krise nimmt die internationale Kritik an Chinas Umgang mit der Pandemie zu. In einem westlichen Geheimdienstpapier wird Peking scharf für den Umgang mit der Epidemie gerügt. Medien zufolge dokumentiert das Dossier die Vertuschung chinesischer Behörden und weist auf riskante Forschungsarbeiten in einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan hin, wo das neue Coronavirus im Dezember erstmals aufgetaucht war.
Auch US-Aussenminister Mike Pompeo erhob am Sonntag erneut schwere Anschuldigungen gegen Peking. Er sagte dem US-Sender ABC, es gebe «signifikante» Belege, dass die Krise in jenem Labor ihren Anfang genommen habe. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump entsprechende Spekulationen darüber angefacht und wieder mit einem Handelskrieg und neuen Strafzöllen gedroht.
Chinesische Staatsmedien wiesen die Vorwürfe der US-Regierung als «grundlose Beschuldigungen» zurück. Es sei eine Strategie, von der eigenen «Unfähigkeit» im Kampf gegen die Pandemie abzulenken und die Äusserungen von Pompeo seien ein «Bluff», hiess es.
«Anleger werden in den kommenden Wochen starke Nerven brauchen», schrieb Marktanalyst Milan Cutkovic von AxiTrader. Eine Fortsetzung des Handelskrieges in der aktuellen Situation dürfte verheerende wirtschaftliche Folgen haben.»
Die Corona-Krise hat die Stimmung in den europäischen Industrieunternehmen auf eine beispiellose Talfahrt geschickt. Wie das Marktforschungsinstitut IHS Markit am Montag mitteilte, fiel der von ihm erhobene Einkaufsmanagerindex für die Industrie im April auf ein Rekordtief.
Aus Branchensicht standen europaweit Öl- und Gasunternehmen am stärksten unter Verkaufsdruck. Der entsprechende Sektorindex büsste fünf Prozent ein. Besonderes konjunktursensible Branchen wie Autobauer oder Banken gerieten ebenfalls unter die Räder.
Die spanische Telefonica und der Medienkonzern Liberty Global prüfen eine Zusammenlegung ihrer britischen Aktivitäten. Bei der Fusion könnten das britische Mobilfunkgeschäft (O2 UK) des hoch verschuldeten spanischen Konzerns und der zu Liberty Global gehörenden Virgin Media, die in Grossbritannien Telefon-, Fernseh- und Internetdienste anbietet, zusammengelegt werden. Die Transaktion könnte damit die grösste in der britischen Telekombranche seit 2015 werden. Telefonica-Aktien stiegen gegen den schwachen Markttrend um 2,85 Prozent und waren damit der gefragteste Wert im EuroStoxx 50.
Der Sportwagenbauer Ferrari hat den Ausblick für das laufende Jahr wegen Covid-19 deutlich gesenkt. Beim Umsatz erwartet das Unternehmen unter anderem wegen der lange Zeit geschlossenen Fabriken und der verkürzten Formal-1-Saison jetzt einen Rückgang auf 3,4 Milliarden Euro bis 3,6 Milliarden Euro. 2019 lag der Umsatz bei 3,8 Milliarden Euro, und sollte laut den ursprünglichen Plänen in diesem Jahr auf mehr als 4,1 Milliarden Euro steigen. Auch beim Ergebnis wurde das Management vorsichtiger. Der in der Krise bisher relativ stabile Aktienkurs gab nach Bekanntgabe der gesenkten Prognose zunächst deutlich nach, drehte dann aber wieder in die Gewinnzone und endete mit einem Plus von 1,46 Prozent bei 145,50 Euro.
Dagegen sackten die Papiere von Air France-KLM um gut sieben Prozent ab. Der französische Staat darf der Fluggesellschaft in der Corona-Krise mit sieben Milliarden Euro in Form von Krediten und Garantien helfen. Die EU-Kommission billigte die Liquiditätshilfen am Montag unter anderem mit dem Hinweis, dass ohne staatliche Unterstützung die Insolvenz drohen könnte. (awp/mc/ps)