Europa-Schluss: Erholung – Märkte als Spielball der Zollpolitik

Paris / London / Zürich – An Europas wichtigsten Aktienmärkten haben sich die extremen Schwankungen am Donnerstag mit deutlichen Gewinnen fortgesetzt. Ursächlich dafür war die von US-Präsident Donald Trump am Mittwoch verkündete Zollpause. «Die nun verkündete Pause der reziproken Zölle verringert zwar das Rezessionsrisiko und die Börsen können nicht anders, als wieder deutlich zu steigen», stellte Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets fest. Wirtschaft bestehe jedoch aus Vertrauen und hier habe der US-Präsident in den vergangenen Wochen viel Porzellan zerschlagen.
Der EuroStoxx 50 schloss mit einem Plus von 4,26 Prozent bei 4.818,92 Punkten. Auch ausserhalb des Euroraums ging es kräftig nach oben. Der Schweizer SMI stieg um 3,28 Prozent auf 11.244,59 Punkte. Für den britischen FTSE 100 ging es um 3,04 Prozent auf 7.913,25 Punkte aufwärts.
Die kräftige Erholung sollte allerdings nicht über die bestehenden Risiken hinweg täuschen. «Es ist weiterhin unklar, wie sich die USA in den kommenden Handelstagen positionieren werden und welche neue Strafzollstrategie als Nächstes aus dem Hut gezogen werden wird», warnte Marktexperte Andreas Lipkow. «Der zeitliche Aufschub ist kein Aufheben der geplanten Strafzölle und dadurch schwebt die Thematik wie ein Damoklesschwert über den Finanzmärkten.»
Trump hatte eine 90-tägige Zollpause angeordnet. Während dieses Zeitraumes greift ein gesenkter Zollsatz von 10 Prozent. Für China gilt das jedoch explizit nicht: Für chinesische Einfuhren hob Trump den Zollsatz vielmehr noch mal an – auf insgesamt 125 Prozent.
Gefragt waren am Donnerstag naturgemäss die Sektoren, die vorher am stärksten gefallen waren. Sowohl Bankaktien als auch Technologie- und Industriewerte standen an der Spitze der Gewinner, wobei die extremen Kursgewinne aus dem frühen Handel im späten Verlauf erheblich zusammenschmolzen.
Am Ende des Feldes, wenn auch mit Gewinnen, bewegten sich unterdessen die defensiven Branchen. Sowohl Telekom- als auch Nahrungsmittelwerte hatten sich während der Marktkorrektur vergleichsweise gut gehalten. Ausnahme war hier ein Wert aus der zweiten Reihe. Barry Callebaut brachen um mehr als 21 Prozent ein. Der Schweizer Schokoladenhersteller hatte am Morgen ernüchternde Halbjahreszahlen vorgelegt, die vor allem beim Gewinn deutlich unter den Erwartungen gelegen hatten.
Auch die Aktien des britischen Einzelhändlers Tesco entzogen sich dem Gesamtmarkt. Die Aktie gab nach neuen Zahlen um 4,0 Prozent nach. Die Analysten von RBC sprachen von einem starken Zahlenwerk, aber auch von einem vorsichtigen Ausblick.
In dem stark erholten europäischen Marktumfeld lösten sich auch die Aktien von Novo Nordisk vom tiefsten Niveau seit Herbst 2022. Die Papiere der Dänen kletterten in der Spitze um 15 Prozent, bröckelten am Nachmittag jedoch massiv ab und endeten auf ihrem Tagestief noch 1,4 Prozent im Plus.
Der Chiphersteller STMicroelectronics konkretisiert sein laufendes Sparprogramm. In den kommenden drei Jahren sollen bis zu 2.800 Stellen gestrichen werden, teilte das Unternehmen mit. Das entspricht fast sechs Prozent der Belegschaft. Die seit vergangenem Oktober bekannten Sparziele wurden bestätigt: Nach 2027 soll jährlich ein hoher dreistelliger Millionen-Dollar-Betrag eingespart werden. Die Aktie des Chipherstellers gewann 1,3 Prozent.
Unter den Nebenwerten waren DocMorris mit plus 4,7 Prozent gefragt. Die Online-Apotheke plant nach einem soliden Jahresstart mittelfristig weiteres Wachstum. Der Umsatz soll jährlich um rund 20 Prozent zulegen. 2026 will DocMorris ausserdem zumindest im Tagesgeschäft den Weg aus den roten Zahlen finden. (awp/mc/ps)