Paris / London – An den wichtigen Börsen Europas hat die Talfahrt am Dienstag nach einem Stabilisierungsversuch wieder Fahrt aufgenommen. Das Thema Gasknappheit gewinnt zunehmend an Brisanz. Rezessionssorgen griffen erneut um sich. Der Leitindex der Eurozone schloss auf dem tiefsten Stand seit November 2020.
Zum einen verstärke der näher rückende Termin einer zumindest temporären Schliessung der Gaspipeline Nord Stream 1 derzeit die Angst vor einem unbefristeten Lieferstopp und damit einem Kollaps der deutschen Wirtschaft, erklärte Marktanalyst Jochen Stanzl von CMC Markets. «Hinzu kommt der Streik der norwegischen Öl- und Gasarbeiter, den ein ohnehin schon angespannter Erdgasmarkt in Europa so gar nicht gebrauchen kann.» Aus Angst vor zunehmenden Engpässen stieg der Gaspreis auf ein Viermonatshoch.
Der EuroStoxx50 , der noch freundlich in den Tag gestartet war, büsste 2,68 Prozent auf 3359,83 Punkte ein. Damit fiel er unter sein bisheriges Jahrestief im März auf ein Zwanzigmonatstief. Der französische Cac 40 sank am Dienstag um 2,68 Prozent auf 5794,96 Punkte. Der britische FTSE 100 gab um 2,86 Prozent auf 7025,47 Zähler nach.
Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect merkte zudem an, dass sich wohl auch einige bedeutende Investoren erneut in grossem Stil von europäischen Aktien getrennt hätten. Insbesondere zyklische Branchen hätten unter Verkaufsdruck gestanden und der zum US-Dollar auf ein Zwanzigjahrestief gesunkene Euro habe ebenfalls «auf eine fortgesetzte Flucht aus europäischen Anlagen» hingedeutet.
Bis auf die defensiven Branchen Immobilien und Lebensmittel gaben alle anderen Sektoren nach. Der Autosektor etwa büsste 3,6 Prozent ein und der Chemiesektor 3,2 Prozent.
Die Rohstoff-Branche verlor sogar 5,2 Prozent und spiegelte damit laut den Rohstoffanalysten der Commerzbank ebenfalls die Rezessionssorgen der Anleger wider. ArcelorMittal und Rio Tinto verloren um die 4 Prozent.
Diageo zählten zu den wenigen Gewinnern mit plus 0,3 Prozent. Sie profitierten dabei womöglich auch von einer positiven Bewertung der Investmentbank Stifel. Diese nahm die Bewertung der Aktie des Spirituosenherstellers mit «Buy» und einem Kursziel von 4530 Pence wieder auf. Die Spirituosenbranche zeige sich durch die Corona-Krise in guter Verfassung und biete nach dem jüngsten Kursrückschlag interessante Einstiegschancen, schrieb Analyst Cedric Lecasble. Diageo zeichne sich durch seine Weltmarktführerschaft und eine besonders hohe Profitabilität aus. Pernod Ricard gewannen im EuroStoxx 0,9 Prozent.
Um 3,3 Prozent schnellten die Papiere von Zur Rose im Fahrwasser der Shop Apotheke hoch. Eine starke Nachfrage nach nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten hatte die Aktie des niederländischen Online-Arzneimittelhändlers beflügelt. (awp/mc/pg))