Zürich – Am Schweizer Aktienmarkt sorgte das Brexit-Votum der Briten für einen rabenschwarzen Handelstag zum Wochenschluss. Der Leitindex SMI war in einer ersten Reaktion auf den überraschenden Entscheid um beinahe 550 Punkten unter die Schwelle von 7’500 Stellen abgerutscht, erholte sich aber im Verlauf des Vormittags ein wenig von dem Schock. In der zweiten Handelshälfte stabilisierte sich die Lage dann halbwegs. Unter die Räder kamen vor allem Finanzwerte und Zykliker.
Die Anleger seien auf «dem völlig falschen Fuss» erwischt worden, hiess es in Händlerkreisen, da die Märkte im Vorfeld auf ein Verbleib der Briten in der EU gewettet hätten. Zur Beruhigung trugen im Handelsverlauf dann aber nicht zuletzt die Notenbanken der Eurozone, Grossbritanniens, der USA und Japan bei, die den Marktteilnehmern die Bereitstellung weiterer Liquidität signalisierten. Hierzulande schritt die SNB bereits am frühen Morgen zur Tat und intervenierte am Devisenmarkt, was eine allzu starke Aufwertung des Frankens zum Euro verhinderte. Auch verhältnismässig geringe Verluste zum Handelsstart an der Wall Street trugen zur Beruhigung der Gemüter bei.
Zum Schluss büsste der SMI 3,44% auf 7’747,18 Punkte ein. Dennoch ergibt sich auf Wochensicht ein positives Saldo von 0,4%, vor allem dank eines starken Wochenstarts. Der 30 Titel umfassende Swiss Leader Index (SLI), in dem die grössten Titel nicht mit der ganzen Gewichtung enthalten sind, büsste am Freitag 4,91% auf 1’161,36 und der breite Swiss Performance Index (SPI) 3,31% auf 8’395,77 Zähler ein. Die 30 Blue Chips schlossen allesamt im Minus.
An den Finanzmärkten war die bereits im Vorfeld hohe Unsicherheit nochmals rapide hochgeschnellt. Der Volatilitätsindex VSMI, der die Nervosität der hiesigen Investoren abbildet, schoss am Morgen um rund ein Drittel nach oben und erreichte einen Jahreshöchststand, bevor er wieder deutlich zurückkam und nur knapp höher schloss.
Es bleibe abzuwarten, welchen Einfluss der Brexit-Entscheid auf die konjunkturelle Entwicklung in Europa, in der Schweiz und weltweit haben werde, hiess es. Im Handel sieht man nun die europäische Politik gefordert, so rasch wie möglich nach Lösungen zu suchen. Der britische Premier David Cameron hatte derweil seien Rücktritt für Oktober angekündigt, um den Weg für eine neue politische Führung frei zu machen.
Hierzulande standen vor allem die Kurse der Banken und Zykliker gehörig unter Druck. Sie hatten sich in den vergangenen Tagen mit der Hoffnung auf einen «Bremain» stark erholt gezeigt. Das Finanzzentrum London und die gesamte Finanzindustrie gelten mit als grösste Verlierer des Brexit und so büssten CS 13,9%, UBS 11,2% und Julius Bär 9,0% ein. Auch die Versicherungswerte Zurich (-5,7%), für die Grossbritannien ein Schlüsselmarkt ist, oder Swiss Life (-5,4%) wurden von den sich abzeichnenden hohen Marktvolatilitäten in Mittleidenschaft gezogen.
Konjunktursensitive Aktien wurden mit der unsicher gewordenen konjunkturellen Weltlage ebenfalls abgestossen: Adecco verloren 11,2%, LafargeHolcim 8,6% und Dufry 6,2%. Richemont (-6,7%) und Swatch (-4,6%) mussten auch Federn lassen. Die beiden Luxusgütertitel wurden von Bank Baader Helvea auf «Hold» von «Buy» abgestuft. Der Austritt Grossbritanniens aus der EU dürfte zu einem langsameren wirtschaftlichen Wachstum führen, was den zyklischen Luxusgütersektor beeinflussen dürfte, so der zuständige Analyst.
Derweil wurden die defensiven Schwergewichte Nestlé (-1,2%), Novartis (-1,6%) und Roche (-2,2%) einmal mehr ihrem Nimbus als Stabilitätsanker des Schweizer Aktienmarktes gerecht.
Am breiten Markt standen mit EFG (-10,1%) und GAM (-9,1%) u.a. auch Aktien stark unter Druck, die bereits zuletzt einen schweren Stand hatten. Die Titel des Bankensoftwareherstellers Temenos (-6,4%) litten ebenfalls unter den unsicheren Aussichten der Finanzbranche.
Hingegen schnitten die defensiven Aktien der Nahrungsmittelhersteller Hügli (+3,3%), Bell (-1,5%) und Emmi (-1,1%) verhältnismässig gut ab. Auch auf die als sichere Anlage geltenden Immobilienwerte wie BFW (+2,5%), Zug Estates (+1,4%), Warteck (+1,0%), Plazza (+0,7%), Hiag (+0,4%) sowie die Aktien der beiden Platzhirsche PSP (-0,2%) und SPS (-0,8%) wurde verstärkt gesetzt. (awp/mc/upd/ps)