Elektronische Anzeigetafel mit Nikkei-225-Index am Dienstag in Tokio.
Tokio – Die Panik an den Weltbörsen hat sich am Mittwoch nach dem Kursrutsch vom Vortag trotz neuer Hiobsbotschaften vom Atomkraftwerk Fukushima Eins etwas gelegt. Von einer grundlegenden Erholung der Märkte gibt es nach Ansicht von Experten aber keine Spur, zu unklar sind nach wie vor die Folgen der Katastrophe in Japan.
Während sich die Börse in Tokio nach dem Crash vom Dienstag erholte und im Plus schloss, waren die Kurse der meisten europäischen Aktienmärkte einmal mehr rot, wenn auch in moderatem Ausmass. Der Dax zeigte sich zuletzt kaum verändert. Von einer grundlegenden Stimmungsänderung an den Märkten wollten Experten zunächst nichts wissen. Es sei angesichts der Lage in Japan unwahrscheinlich, dass das Ende der Abwärtsbewegung schon erreicht sei, sagte Marktanalyst André Saenger von IG Markets. Andere Börsianer betonten, dass insbesondere im frühen europäischen Handel einige Schnäppchenjäger nach den Kursverlusten der vergangenen Tage zugegriffen hätten.
Nikkei nach Absturz vom Vortag im Plus
Im Fokus stand insbesondere der japanische Leitindex Nikkei-225 . Er stieg am Mittwoch um 5,68 Prozent auf 9.093,72 Punkte. Zwischenzeitlich war er sogar bis auf 9.168 Punkte geklettert, gab dann aber nach weiteren Hiobsbotschaften aus Fukushima wieder etwas nach. Am Vortag war der Index noch um mehr als zehn Prozent abgestürzt und hatte den höchsten Tagesverlust seit dem Höhepunkt der Finanzkrise vor zweieinhalb Jahren erlitten.
Börsianer: Lage nach wie vor «fragil»
Insgesamt hatte der Nikkei an den vergangenen drei Handelstagen nach der Naturkatastrophe in dem Inselstaat knapp 18 Prozent an Wert eingebüsst. Eine derartige Kurskorrektur habe es seit 1987 nicht gegeben, betonte Marktanalyst David Buik von BG Partners. Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg wurden an den vorangegangenen zwei Handelstagen weltweit umgerechnet 1,147 Billionen Euro am weltweiten Aktienmarkt vernichtet. Ein anderer Börsianer bezeichnete die aktuelle Lage nach wie vor als «fragil». Ungeachtet der Kursgewinne vom Mittwoch seien die Anleger weiter sehr beunruhigt. Insofern könne der Markt jederzeit wieder einbrechen.
DAX kaum verändert – Abstufung Portugals drückt auf Stimmung
In Frankfurt rutschte der Dax nach einem positiven Handelsstart zeitweise zwar ins Minus, lag zuletzt aber bei 6.677,48 Punkten 0,45 Prozent im Plus. Damit lag er mehr als 400 Punkte unter seinem Schlussstand vom Donnerstag – dem letzten Handelstag vor dem Erdbeben und dem Tsunami in Japan. Der EuroStoxx 50 , in dem die Bankenwerte schwer gewichtet sind, sank hingegen um 0,63 Prozent auf 2.766,67 Punkte. Das begründeten Börsianer jenseits der Geschehnisse in Japan auch mit der Abstufung der Kreditwürdigkeit Portugals durch Moody’s. Die Ratingagentur hatte die Kreditwürdigkeit des hoch verschuldeten Euro-Landes gleich um zwei Stufen gesenkt. In der Verlustzone zeigten sich zudem die Leitindizes in London und Paris. In China kletterte der CSI 300 um 1,38 Prozent. An der Wall Street zeichnete sich ein schwächerer Handelsstart ab.
Yen stabil
An den Devisenmärkten hielten sich die Auswirkungen der Japan-Krise in Grenzen. Der Yen zeigte sich stabil, auch beim Euro-Dollarkurs gab sich kaum eine Veränderung. Die europäische Gemeinschaftswährung kostete zuletzt geringfügig weniger als am späten Vorabend. Die Kurse deutscher Staatsanleihen stiegen geringfügig, nachdem es am Vortag noch einen wahren Ansturm auf die als sicher geltenden Papiere gegeben.
Entwicklung in Fukushima entscheidend für Kurse in Japan
Experten gehen indes davon aus, dass die weitere Entwicklung am japanischen Aktienmarkt vor allem von der Entwicklung im havarierten Atomkraftwerk Fukushima Eins abhängen wird. Im schlimmsten Fall droht nach Ansicht von DWS-Fondsmanagerin Lilian Haag eine Ausweitung der nuklearen Kontamination auf die Region Tohoku und den Grossraum Tokio mit einem Anteil von insgesamt rund 45 Prozent am japanischen Bruttoinlandsprodukt (BIP). Noch sei dies allerdings ein unwahrscheinliches Szenario. Die Expertin hofft, dass sich die nuklearen Probleme lokal begrenzen lassen. In diesem Fall dürften die volkswirtschaftlichen Kosten wohl maximal 240 Milliarden Yen oder fünf bis sechs Prozent des BIP betragen. Das wäre etwa doppelt so viel wie die Folgekosten in Höhe von 120 Milliarden Yen nach dem Erdbeben in Kobe im Jahr 1995.
Ökonomen: Auswirkungen der Katastrophe noch ungewiss
Ökonomen betonten, dass die Auswirkungen der Dreifach-Katastrophe in Japan auf die Weltwirtschaft noch höchst ungewiss sind. Das liege vor allem daran, dass die Folgen des drohenden atomaren Super-GAUs nicht absehbar seien. «Die exakte Quantifizierung der Folgen einer Nuklearkatastrophe auf die internationalen Finanzmärkte und die Weltwirtschaft ist zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich. Es wäre buchstäblich reine Spekulation», sagte Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt der UniCredit.
Weitere Nachbeben
Am Atomkraftwerk Fukushima Eins waren am Mittwoch derweil weitere Feuer an zwei Reaktoren ausgebrochen, nach einem starken Anstieg der Strahlung mussten sich Arbeiter zeitweise aus dem Kraftwerk zurückziehen. Zudem wurde in Block 3 womöglich die wichtige innere Hülle beschädigt, wie Regierungssprecher Yukio Edano sagte. Zudem erschütterten weitere Nachbeben das Land. Japan wandte sich mittlerweile auch an die USA. Unterstützung der US-Truppen könnte nötig sein, sagte Regierungssprecher Yukio Edano.
Japans Notenbank pumpt weiter Liquidität in den Markt
Derweil hatte die japanische Notenbank das Finanzsystem auch am Mittwoch mit einer Geldspritze in Milliardenhöhe gestützt. Angesichts des hohen Bedarfs an Liquidität der heimischen Banken im Gefolge des Erdbebens und der Atomkatastrophe stellte die Notenbank nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo als kurzfristige Notfall-Liquidität 3,5 Billionen Yen (rund 30 Milliarden Euro) zur Verfügung. Bereits am Montag und Dienstag hatten die Währungshüter Milliarden in das Bankensystem gepumpt. (awp/mc/ps)