Massenproteste in Libyen.
Frankfurt am Main – Die Öl- und Benzinpreise kennen zurzeit nur eine Richtung: nach oben. Ausschlaggebend sind in erster Linie die politischen Unruhen in vielen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas. Allen voran die bürgerkriegsähnlichen Zustände im ölreichen OPEC-Staat Libyen bereiten Ölhändlern und Experten Kopfzerbrechen. Wohin die Reise der Ölpreise geht, dürfte vor allem von der weiteren Entwicklung in Libyen und anderen Ölschwergewichten abhängen.
Seit den ersten Unruhen in der arabischen Welt in Tunesien und Ägypten hat sich der Ölpreis in Europa um über zehn Prozent verteuert. Verschärft wurde die Lage zuletzt durch die blutigen Proteste in Libyen, bei denen mittlerweile mehrere hundert Menschen umgekommen sein sollen. Derzeit kostet ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent rund 108 US-Dollar. Mitte Januar lag der Preis noch bei 95 Dollar, Mitte 2010 gar bei 75 Dollar. US-Rohöl der Marke WTI war zuletzt weniger von dem Preisanstieg betroffen, hat zuletzt aber ebenfalls stark auf rund 96 Dollar zugelegt. Damit kostet Rohöl derzeit so viel wie zuletzt vor zweieinhalb Jahren.
Benzin Tag für Tag teurer
Die Verbraucher bekommen diesen Preisanstieg in erster Linie an der Zapfsäule zu spüren, wo die Benzinpreise Tag für Tag in die Höhe klettern. Zuletzt mussten für einen Liter Benzin rund 1,50 Euro gezahlt werden. Ein Nebeneffekt: Höhere Öl- und Benzinpreise treiben auch die gesamtwirtschaftliche Teuerung in die Höhe. Aus diesem Grund mehren sich inzwischen die Stimmen aus den Reihen der Europäischen Zentralbank (EZB), die vor einer anhaltend hohen Teuerung warnen. So war die Inflation in Deutschland zuletzt auf den höchsten Stand seit Herbst 2008 geklettert. Im gesamten Euroraum liegt sie mit 2,4 Prozent bereits spürbar über der EZB-Zielmarke von knapp zwei Prozent.
Belastung für Unternehmen
Hohe Ölpreise beeinflussen aber nicht nur die allgemeine Teuerung und belasten so die Geldbörse der Verbraucher. In hochentwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland stellen hohe Öl- und Rohstoffpreise auch eine Belastung für die Unternehmen dar und können damit das Wirtschaftswachstum dämpfen. Gleichwohl sehen Ökonomen derzeit noch keine allzu grosse Belastung für die auf Hochtouren laufende Konjunktur Deutschlands. Die Postbank etwa beziffert den dämpfenden Effekt der hohen Rohstoffpreise auf rund 0,2 Prozentpunkte des Wachstums. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr war Deutschland um starke 3,6 Prozent gewachsen. Zudem sieht das Bonner Bankhaus gar die Chance, dass Deutschland von hohen Öl- und Rohstoffpreisen profitieren kann. So könnten höhere Gewinne in ölreichen Ländern dazu führen, dass diese ihre Nachfrage nach hochwertigen Investitionsgütern «Made in Germany» ausweiten.
Vor allem politische Faktoren entscheidend
«Ganz entscheidend ist die Geschwindigkeit, mit der sich Preisänderungen vollziehen», unterstreicht Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. So dürfte ein schneller und starker Preisschub spürbar negative Auswirkungen auf die Konjunktur haben. «Vollzieht sich der Preisanstieg jedoch stetig und über einen längeren Zeitraum, könnten die positiven Nachfrageeffekte für die deutsche Wirtschaft stärker ins Gewicht fallen als die negativen Kosteneffekte.» Entscheidend für die weitere Entwicklung der Ölpreise dürften vor allem politische Faktoren sein. Als «Horrorszenario» gilt an den Märkten eine Ausweitung der libyschen Unruhen auf weitere Ölschwergewichte wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Kuweit. Die Analysten der DZ Bank halten diesen «worst case» wie auch andere Experten zwar für unwahrscheinlich. Sollte sich aber die politische Lage auch in anderen arabischen Ländern verschärfen, könnte wohl niemand mehr mit Gewissheit sagen, wohin der Ölpreis marschiert. Gleichwohl: Von seinem Rekordhoch bei rund 150 Dollar, das Mitte 2008 in der Finanzkrise erreicht wurde, ist der Ölpreis derzeit noch Meilenweit entfernt. (awp/mc/ss)