Frankfurt / London – In diesem Jahr kennt der Goldpreis nur eine Richtung: nach oben. Im September hat sich der Höhenflug mit der Aussicht auf sinkende Zinsen noch einmal beschleunigt und das Edelmetall so wertvoll gemacht wie nie. Während Staatsanleihen oder Festgeldkonten weniger Zinsen abwerfen, wird das Edelmetall für viele Anleger immer beliebter. Am Freitag wurde an der Börse in London für eine Feinunze (etwa 31,1 Gramm) der Rekordpreis von 2.572,98 US-Dollar gezahlt. Auch in Euro gerechnet erreichte die Notierung ein Rekordhoch bei 2319,30 Euro je Unze.
«Das Jahr 2024 entwickelt sich für den Goldpreis mehr und mehr zu einem echten Champagnerjahrgang», kommentierten Analysten der britischen Grossbank HSBC in einer Analyse. Sie zeigten sich überzeugt, dass beim Goldpreise der zugrundeliegende Aufwärtstrend «absolut intakt» sei.
Seit Beginn des Jahres hat das Edelmetall mittlerweile etwa 25 Prozent an Wert gewonnen. Stärkster Treiber sind derzeit Spekulationen auf sinkende Zinsen. Da Gold selbst keine Zinsen abwirft, verstärkt die Aussicht auf fallende Renditen zum Beispiel für Staatsanleihen die Nachfrage nach dem Edelmetall. Zuletzt hatte die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag den derzeit wichtigsten Leitzins, den Einlagensatz, um 0,25 Prozentpunkte gesenkt und damit die Zinswende in der Eurozone fortgesetzt. Hinzu kommt: «Der Markt rechnet in den kommenden Monaten mit weiteren Zinssenkungen», sagte Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank.
Darüber hinaus werden auch in der USA sinkende Zinsen erwartet. Nach klaren Hinweisen aus den Reihen der US-Notenbank Fed wird an diesem Mittwoch fest mit der ersten Leitzinssenkung seit der Inflationswelle gerechnet. Die amerikanischen Währungshüter haben das Ausmass und die Abfolge künftiger Zinsschritte offen gelassen und die Entscheidung von der weiteren Entwicklung von Konjunkturdaten abhängig gemacht. Vor diesem Hintergrund hatten enttäuschende US-Wirtschaftsdaten zeitweise die Spekulation auf einen grösseren Zinsschritt von 0,50 Prozentpunkten verstärkten, was dem Goldpreis ebenfalls Auftrieb verlieh.
Sinkende Zinsen belasten US-Dollar
Hinzu kommt, dass die Aussicht auf sinkende Zinsen in den USA den US-Dollar belastet. Da Gold auf dem Weltmarkt in der Regel in Dollar gehandelt wird, macht eine Kursschwäche der amerikanischen Währung das Edelmetall in vielen Ländern günstiger, was die Nachfrage und damit den Preis stützt.
Gestützt wurde die Nachfrage nach Gold in den vergangenen Monaten auch immer wieder durch Zentralbanken, die selbst als Käufer auf dem Markt auftraten. In einer Studie des Interessenverbands World Gold Council (WGC) zur Entwicklung der Goldreserven von Notenbanken im laufenden Jahr hat fast ein Drittel der befragten Notenbanken angegeben, ihre Goldreserven erhöhen zu wollen. Das ist der höchste Stand sei Beginn der Umfrage im Jahr 2018.
Derzeit werden die grössten Goldreserven der Welt von den USA gehalten, gefolgt von Deutschland mit über 3.300 Tonnen. Auch China zählt zu den Staaten mit hohen Goldreserven, wobei das Land die Bestände in den vergangenen Jahren tendenziell aufgestockt hat. Hintergrund ist, dass China seine Reserven unabhängiger vom Dollar machen will.
Darüber hinaus hat auch der Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Terror-Organisation Hamas und die damit verbundene Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten viele Anleger in Gold gelockt und den Preis nach oben getrieben. Hinzu kommt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der seit mehr als zwei Jahren andauert und die geopolitischen Risiken ebenfalls verstärkt.
Der World Gold Council weist darüber hinaus auch auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA hin, die Anfang November anstehen und deren Ausgang als offen gilt. Die Experten des Interessenverbands sprechen von Risiken, die aus den US-Wahlen hervorgehen und die ebenfalls den Goldpreis stützen könnten. Rohstoffexperten der Commerzbank gehen davon aus, dass der Goldpreis seine jüngsten Gewinne mehr oder weniger halten kann. Sie erwarten den Preis für eine Feinunze Ende des Jahres bei 2.500 Dollar. (awp/mc/ps)