US-Schluss: Soziale Unruhen halten die Indizes nicht auf
New York – Die Aktien-Anleger in New York haben am Dienstag die weltweiten Lockerungen in der Corona-Krise höher gewichtet als die gegenwärtigen sozialen Unruhen in vielen US-Städten. Der Leitindex Dow Jones Industrial gewann 1,05 Prozent auf 25 742,65 Punkte, schaffte es damit allerdings nicht ganz, sein in der Vorwoche erreichtes Hoch seit Anfang März zu überklettern. Dies gelang dafür dem S&P 500 , der marktbreite und daher besonders aussagekräftige Index schloss 0,82 Prozent höher auf 3080,82 Zähler.
Der technologielastige Nasdaq 100 gewann 0,61 Prozent auf 9657,31 Punkte, womit dem Index nur noch weniger als hundert Punkte fehlen bis zu seinem Rekordhoch aus diesem Februar. Seit dem Corona-Krisentief Ende März hat der Nasdaq 100 inzwischen um gut 43 Prozent zugelegt und damit eine nahezu perfekte V-förmige Erholung vollzogen.
«Für den grössten Teil des Anstiegs im Technologiesektor sind die Grossen der Branche wie Apple, Amazon, Facebook und Google verantwortlich», erläuterte Analyst Konstantin Oldenburger von CMC Markets. Mittlerweile machten diese Unternehmen einen erheblichen Teil der Marktkapitalisierung des gesamten Index aus.
Mit Blick auf den Gesamtmarkt hiess es von Händlern, die Anleger würden derzeit abwägen. Einerseits werde auf die Erleichterung angesichts zunehmender Öffnungen von Volkswirtschaften nach der Corona-Krise sowie der zahlreichen wirtschaftlichen Hilfspakete geschaut. Auch hätten sich die Spannungen an der US-chinesischen Handelsfront erst einmal nicht weiter verschärft. Andererseits bereiteten die Unruhen in den USA Sorgen.
Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz hatten sie weiter zugenommen, weshalb US-Präsident Trump am Montagabend notfalls die Mobilisierung aller verfügbaren zivilen und militärischen Kräfte der Regierung angekündigt hatte.
«Der Hauptfokus am Aktienmarkt scheint aber einmal mehr auf den längerfristigen Perspektiven der weltweiten Lockerungsmassnahmen zu liegen», sagte Oldenburgers Kollege Michael Hewson von CMC Markets UK. Nach wie vor erleichtere auch, dass US-Präsident Donald Trump den Konflikt mit China in Sachen Hongkong bislang nicht wie befürchtet weiter zugespitzt habe.
Unter den Einzelwerten gewannen im Dow die Papiere der Ölkonzerne ExxonMobil und Chevron jeweils etwas mehr als zwei Prozent. Die Ölpreise bauten ihre Gewinne etwas weiter aus, was Händler auf die Hoffnung auf eine zeitliche Ausweitung der bislang beschlossenen Produktionskürzungen zurückführten. Die im Verbund Opec+ zusammengefassten Förderstaaten hatten sich im April darauf verständigt, im Mai und Juni die tägliche Rohölproduktion zu reduzieren. Diese Regelung könnte nun nach Angaben von Insidern der Opec+ um einen Monat verlängert werden.
Ganz oben im Dow rückten die Aktien des Chemiekonzerns Dow Inc um mehr als fünf Prozent vor. Die Papiere des Pharmakonzerns Pfizer erholten sich mit einem Plus von fast zwei Prozent etwas von ihrem Vortagesrückschlag von gut sieben Prozent.
Angesichts der Unruhen in vielen Städten der USA und der Drohung von Präsident Trump mit einem Militäreinsatz legten auch Anteile von US-Waffenherstellern wie Sturm Ruger & Co mit 4,35 Prozent und Vista Outdoor mit 7,50 Prozent zu. Die Aktien von Smith & Wesson Brands, dem gerade erst von American Outdoor Brands abgespaltenen Waffengeschäft, sprangen um etwas mehr als 10 Prozent hoch.
Tiffany sackten in der letzten Handelsstunde stark ab nach einem Medienbericht, wonach der französische Luxusgüterkonzern LVMH den Kauf des US-Juweliers als unsicher betrachtet. Mit einem Minus von fast neun Prozent gingen Tiffany aus dem Handel.
Zoom Video Communications erklommen ein weiteres Rekordhoch bei 212,69 Dollar, am Ende des Tages kosteten sie mit plus 1,93 Prozent 208,08 Dollar. Der Anbieter von Webkonferenzen, der im April 2019 mit 36 US-Dollar je Aktie an die Börse gegangen war, legt an diesem Dienstag nach US-Börsenschluss seine Zahlen für das erste Quartal 2020/21 vor. Zoom war eigentlich für den Einsatz in Unternehmen gedacht, in der Corona-Krise stieg aber die Nutzung durch Privatleute sowie für Sportkurse, Gottesdienste oder Bildung. Pro Tag gibt es inzwischen 300 Millionen Teilnahmen an Videokonferenzen – im Vergleich zu zehn Millionen noch im Dezember.
Der Euro kratzte am Dienstag vorübergehend an der Marke von 1,12 US-Dollar. Nach US-Börsenschluss wurden 1,1166 Dollar für die Gemeinschaftswährung bezahlt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 1,1174 (Montag: 1,1116) Dollar festgesetzt, der Dollar damit 0,8949 (0,8996) Euro gekostet.
Am US-Rentenmarkt verloren richtungweisende zehnjährige Staatsanleihen 7/32 Punkte auf 99 14/32 Punkte und rentierten mit 0,682 Prozent. (awp/mc/pg)