New York – Die Wall Street hat am Dienstag ihre Erholungsrally vom Vorabend fortgesetzt und mit deutlichen Gewinnen geschlossen. Als Kurstreiber sahen Börsianer die Hoffnung, dass sich die amerikanische Notenbank Fed mit der im Jahresverlauf erwarteten Zinswende länger Zeit lässt als bislang erwartet. Erneut enttäuschende Wirtschaftsdaten stützten diese Einschätzung. Gleichzeitig besänftigten die weiter steigenden Ölpreise die Sorgen über eine weltweite Konjunkturschwäche.
Der Dow Jones Industrial beendete den Handel 1,76 Prozent höher bei 17 666,40 Punkten. Bereits am Montag hatte der US-Leitindex dank eines Endspurts deutlich zugelegt, nachdem er vor dem Wochenende deutlich nachgegeben und für den Januar das grösste Monatsminus seit August 2013 verbucht hatte. Der marktbreite S&P-500-Index gewann am Dienstag 1,44 Prozent auf 2050,03 Punkte, während der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 ein Plus von 0,97 Prozent auf 4229,15 Punkte schaffte.
Schwache Wirtschaftsdaten könnten dazu führen, dass die Fed die erste Zinserhöhung seit Beginn der Finanzkrise aufschiebe, schrieb Analyst Michael Hewson vom Broker CMC Markets. Er verwies auf das weltweit niedrige Zinsumfeld. «Seit Jahresbeginn haben 14 Notenbanken ihre Zinsen gesenkt und damit auf die Sorgen über ein nachlassendes Wachstum sowie fallende Preise reagiert», betonte der Experte. Kurz nach dem Börsenstart hatte das amerikanische Handelsministerium für den Dezember einen überraschend deutlich gesunkenen Auftragseingang der US-Industrie gemeldet.
Zuletzt war die australische Notenbank in den weltweiten Wettlauf um eine immer lockerere Geldpolitik zur Stützung der Wirtschaft eingestiegen. Ein Vermögensverwalter sprach von einer anhaltend guten Stimmung an den Aktienmärkten. Schliesslich bleiben Dividendenpapiere angesichts niedriger Zinsen eine attraktivere Anlage als festverzinsliche Wertpapiere oder Spareinlagen, die kaum eine Rendite abwerfen.
Erneut gute Nachrichten aus Griechenland hellten die Minen der Anleger ebenfalls auf. Im Streit um eine Lösung für das griechische Schuldendrama stimmt die neue Athener Regierung allmählich versöhnlichere Töne an. «Es gibt schon zu viele Risse in Europa, um neue entstehen zu lassen», sagte Ministerpräsident Alexis Tsipras. Zuvor war schon sein Finanzminister in einem Interview von der Forderung nach einem Schuldenschnitt abgerückt und hatte stattdessen Umschuldungsmassnahmen vorgeschlagen.
Die Aktien der US-Ölkonzerne setzten dank weiter steigender Notierungen für den Rohstoff ihren starken Lauf fort: Im Dow belegten Chevron und ExxonMobil mit Kursgewinnen von drei Prozent vordere Plätze, und im S&P 500 verteuerten sich ConocoPhillips ebenfalls um 3,00 Prozent. In den USA war die Zahl der Ölbohrungen wegen der niedrigen Preise zuletzt stark gefallen. Beobachter werten dies als erstes Zeichen, dass die Strategie des Ölkartells Opec aufgeht. Die Organisation will unter Führung von Saudi-Arabien die US-Schieferölindustrie mit Kampfpreisen aus dem Markt drängen.
Die Papiere der Autobauer profitierten von guten Absatzzahlen. Die amerikanischen Autofahrer sind auch im neuen Jahr in Kauflaune – und schlagen angesichts niedriger Benzinpreise vor allem bei den dicken Spritschluckern zu. US-Branchenprimus General Motors (GM) verkaufte im Januar 18 Prozent mehr Fahrzeuge als vor einem Jahr, was die Aktien um 2,63 Prozent steigen liess. Ford schaffte ein Absatzplus von 16 Prozent – dessen Titel legten um 2,49 Prozent zu.
Im umkämpften Büroartikel-Markt sorgte ein möglicher Zusammenschluss für Euphorie. Das «Wall Street Journal» berichtete unter Berufung auf eingeweihte Kreise, dass sich die Branchengrössen Staples und Office Depot in fortgeschrittenen Gesprächen über eine Fusion befänden. Die Aktien beider Unternehmen schnellten daraufhin um 10,91 beziehungsweise 21,63 Prozent in die Höhe.
Beim Medienkonzern McGraw Hill Financial konnten sich die Aktionäre über ein Kursplus von 4,08 Prozent freuen. Eine Tochtergesellschaft des Unternehmens, die bekannte Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P), einigte sich im Rechtsstreit um geschönte Kreditbewertungen mit der US-Regierung und dem Pensionsfonds Calpers. Die Ratingagentur wird im Rahmen eines Vergleichs insgesamt 1,5 Milliarden Dollar zahlen – das ist deutlich weniger als die vom Justizministerium zunächst geforderten 5 Milliarden Dollar.
Die Papiere von UPS hinkten indes mit plus 0,44 Prozent dem starken Markt deutlich hinterher. Der Rivale der Deutsche-Post-Tochter DHL will nach einer Schlappe im wichtigen Weihnachtsgeschäft im laufenden Jahr wieder stärker aufdrehen. (awp/mc/pg)