New York – Die US-Börsen haben am Donnerstag nach einer nur zaghaften Stabilisierung am Vortag wieder nachgegeben. US-Konjunkturdaten ergaben ein durchwachsenes Bild und boten den Anlegern keinen Grund, um etwas an ihrer Risikoscheu zu ändern. Entscheidend bleiben die hohe Inflation, das künftige Zinsniveau und die konjunkturellen Folgen. Nervosität herrschte womöglich auch vor dem am Freitag anstehenden grossen Verfall an den Terminmärkten.
Wachstumsempfindliche Technologiewerte, die sich am Vortag etwas stärker erholt hatten, standen besonders unter Druck. Der von dieser Branche geprägte Auswahlindex Nasdaq 100 sank um 1,71 Prozent auf 11’927,49 Punkte. Er rutschte unter die Marke von 12’000 Punkten und erreichte das niedrigste Niveau seit Mitte Juli.
Während der marktbreite S&P 500 auch recht deutlich um 1,13 Prozent auf 3901,35 Zähler fiel, waren die Verluste beim Dow Jones Industrial etwas kleiner. Das Kursbarometer der Wall Street verlor 0,56 Prozent auf 30’961,82 Punkte. Auch der Dow musste aber im Tagesverlauf das nächste Tief seit Juli hinnehmen.
Marktbeobachtern zufolge vermisst der Markt derzeit neue Anreize vor dem Zinsentscheid der US-Notenbank Fed am Mittwoch. Börsianer rechnen fest mit einer weiteren Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte, wobei einige wegen der ungebrochen hohen Inflation auch einen ganzen Punkt für möglich halten. Ausdruck dessen ist, dass die Renditen von Staatsanleihen auf breiter Front stiegen, wobei der geldpolitisch sensible Zweijahreszins den höchsten Stand seit 2007 erreichte.
Am Donnerstag wurden zahlreiche Konjunkturdaten veröffentlicht, die unter dem Strich gemischt ausfielen. Während ein regionaler Stimmungsindikator aus dem Bundesstaat New York positiv überraschte, enttäuschte die Industriestimmung aus dem Raum Philadelphia mit einer deutlichen Eintrübung. Besonders beachtet wurden aber die Einzelhandelsumsätze, die im August zum Vormonat zulegten. Allerdings sind sie ohne die schwankungsanfälligen Autoverkäufe gesunken.
Auf Unternehmensseite kam es bei den Adobe-Anlegern gar nicht gut an, dass der Softwarekonzern die Web-Design-Softwarefirma Figma übernehmen will. Die Bereitschaft, dafür rund 20 Milliarden US-Dollar zu zahlen, löste einen Kurseinbruch um 16,8 Prozent aus. Analysten bezeichneten den Preis als hoch. Kirk Materne vom Analysehaus Evercore ISI vermutete als Grund, dass Adobe mit der Übernahme vermeiden will, dass Figma zu einem starken Gegner wird.
Im Schlepptau des Adobe-Kursrutsches standen Softwarefirmen, die auch dem Technologiesektor zugerechnet werden, allgemein weit oben auf den Verkaufslisten der Anleger. Die Papiere von Salesforce und Microsoft waren im Dow mit Abgaben von bis zu 3,4 Prozent die beiden grössten Verlierer.
Besser erging es den Banken, da sie etwa im Kreditgeschäft von höheren Zinsen profitieren können. In einem international starken Branchenumfeld zogen die Titel von Goldman Sachs und JPMorgan im Dow um bis zu 1,5 Prozent an. Analystin Magdalena Stoklosa von Morgan Stanley hält den positiven Zinseffekt in einer Branchenstudie für noch nicht angemessen gewürdigt.
Mit einer Kursrally um fünf Prozent hob sich Netflix an der Nasdaq positiv ab. Die Titel des Streaming-Anbieters zogen an, nachdem ihnen Evercore ISI eine positive Empfehlung ausgesprochen hatte. Analyst Mark Mahaney sieht vor allem enorme Chancen im günstigeren, werbefinanzierten Netflix-Abo, das 2023 starten soll. Zuletzt hatte der Streaming-König im hart umkämpften Markt zuschauen müssen, wie die Konkurrenz stärker wird.
Der Euro hat sich am Donnerstag um die Parität zum US-Dollar bewegt. Im New Yorker Handel kostete die Gemeinschaftswährung 0,9995 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 0,9992 (Mittwoch: 0,9990) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 1,0008 Euro.
US-Staatsanleihen haben dem allgemeinen Renditeanstieg entsprechend Kursverluste verzeichnet. Während der Terminkontrakt für zehnjährige Treasuries um 0,35 Prozent auf 114,56 Punkte fiel, zog die Rendite in dieser Laufzeit auf 3,45 Prozent an. (awp/mc/ps)