New York – Die US-Börsen sind am Dienstag kurz vor Handelsschluss aus ihrer Lethargie erwacht und haben überraschend zugelegt. Der breite S&P 500 schloss dicht unter seinem Ende November erreichten Rekordhoch. Auftrieb kam erst in den letzten 30 Minuten. Zuvor hatten sich die Indizes allesamt kaum vom Fleck bewegt. Die Anleger richteten die Blicke bereits auf die Sitzung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag, hiess es.
Der Wall-Street-Leitindex Dow Jones beendete den Tag mit einem Plus von 0,18 Prozent bei 19’251,78 Punkten. Zum Wochenauftakt noch war er bis auf 19 274 Punkte gestiegen und hatte ein neues Rekordhoch markiert. Der S&P 500 legte um 0,34 Prozent auf 2212,23 Punkte zu, womit ihm bis zu seinem historischen Hoch nun nicht einmal mehr 2 volle Punkte fehlen. Der Technologiewerte-Index Nasdaq 100 rückte um 0,22 Prozent auf 4788,67 Punkte vor.
Die Marktteilnehmer rechneten mit weiterer geldpolitischer Unterstützung durch die EZB, um die Wirtschaft in der Eurozone anzukurbeln, hiess es. Dabei wurde zusätzlich nochmal auf das am Sonntag gescheiterte Verfassungsreferendum in Italien und den erwarteten Rücktritt von Ministerpräsident Matteo Renzi verwiesen.
Zudem rückt in den USA eine Zinsanhebung wohl immer näher. Die Konjunkturdaten an diesem Tag fielen überwiegend stark aus und untermauerten diese Erwartung: Die US-Industrie hatte im Oktober deutlich mehr Aufträge erhalten als in den Monaten zuvor und die Erwartungen von Bankvolkswirten leicht übertroffen. Vor Handelsstart war bereits ein deutlicher Anstieg der Produktivität im dritten Quartal veröffentlicht worden. Das Defizit in der US-Handelsbilanz fiel indes im Oktober etwas grösser als erwartet aus. Die US-Notenbank Fed wird am kommenden Mittwoch über den Leitzins entscheiden.
Unter den Einzelwerten rückten die Papiere von Microsoft und LinkedIn in den Blick. Die EU-Kommission erlaubt dem US-Softwareriesen die Übernahme des Karrierenetzwerks unter Auflagen. Damit hat Microsoft nach eigenen Angaben alle wettbewerbsrechtlichen Hürden auch in anderen Weltregionen überwunden und will das Geschäft in den kommenden Tagen zum Abschluss bringen. Im Juni hatte Microsoft angekündigt, LinkedIn für etwa 26,2 Milliarden US-Dollar (derzeit ca. 24,5 Milliarden Euro) schlucken zu wollen. Die Microsoft-Aktien gaben im Dow um 0,45 Prozent nach, die von LinkedIn gewannen an der New Yorker Börse 0,35 Prozent.
Dass Johnson & Johnson im Werben um den Schweizer Biotechkonzern Actelion Konkurrenz bekommen könnte, interessierte kaum. Die Aktien des Pharma- und Konsumgüterherstellers legten im Dow um 0,11 Prozent zu. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf informierte Personen berichtet hatte, erwägt der französische Pharmakonzern Sanofi, seinen Hut in den Ring zu werfen.
Zudem soll sich der Telekomkonzern Verizon laut Kreisen mit dem Rechenzentrumsdienstleister Equinix auf den Verkauf von 24 Datenzentren für 3,6 Milliarden US-Dollar verständigt haben. Während die Verizon-Papiere als einer der Favoriten im US-Leitindex um 1,23 Prozent zulegten, drehten die Equinix-Aktien an der Nasdaq kurz vor Börsenschluss in die Verlustzone und gaben um 0,78 Prozent nach.
Einer der Spitzenwerte im Nasdaq-Auswahlindex waren die Anteilsscheine von Netflix, die um 4,54 Prozent stiegen. Der Streaming-Dienst aktualisiert seine TV-Apps und will mit Vorschau-Videos das Stöbern beim Surfen durch den Netflix-Katalog erleichtern.
Der Euro bewegte sich im US-Handel nur wenig und wurde zuletzt zu 1,0720 Dollar gehandelt. Die EZB hatte den Referenzkurs auf 1,0734 (Montag: 1,0702) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,9316 (0,9344) Euro. Am US-Rentenmarkt stagnierten richtungsweisende zehnjährige Staatsanleihen bei 96 17/32 Punkten und rentierten mit 2,39 Prozent. Sie wurden in einer solch engen Spanne gehandelt wie zuletzt vor der US-Präsidentschaftswahl. (awp/mc/upd/ps)