New York – Ein überraschend robuster Arbeitsmarktbericht hat am Freitag bei den Anlegern an der Wall Street die Ängste vor weiter deutlich steigenden Zinsen wiederbelebt. Der Dow Jones Industrial weitete sein Minus im Handelsverlauf aus. Zum Schluss stand ein Kursrückgang um 2,11 Prozent auf 29’296,79 Punkte zu Buche, womit der Leitindex etwas über seinem Tagestief blieb. Dank starker Gewinne am Montag und Dienstag erzielte er trotzdem noch ein Wochenplus von knapp zwei Prozent.
Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag letztlich um 2,80 Prozent auf 3639,66 Zähler nach unten. Noch heftiger fielen die Verluste bei den als besonders zinssensibel geltenden Technologieaktien aus: Der mit Tech-Werten gespickte Nasdaq 100 sackte um 3,88 Prozent auf 11’039,47 Punkte ab.
Die US-Wirtschaft hat im September mehr Arbeitsplätze geschaffen als erwartet. Zudem wurde der Beschäftigungsaufbau in den beiden Vormonaten Juli und August nach oben revidiert. Während die Arbeitslosenquote entgegen der erwarteten Stagnation sank, legten die Stundenlöhne erneut deutlich zu.
Der Arbeitsmarkt gilt als wichtiger Gradmesser, an dem die amerikanischen Währungshüter ihre Geldpolitik ausrichten. Es bestehe nach den aktuellen Daten «kein Grund, daran zu zweifeln, dass die Fed demnächst nochmals kräftig an der Zinsschraube drehen wird und dieses auch im weiteren Verlauf 2022 und zu Beginn des Jahres 2023 tun wird», hiess es von der Landesbank Helaba.
Die Experten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) wiesen zwar darauf hin, «dass sich der Beschäftigungsaufbau in den Vereinigten Staaten langsam abschwächt» und dass «auch der Zuwachs bei den Stundenlöhnen nicht mehr so hoch ausfällt wie noch vor einigen Monaten». Doch «ein Monat, in dem sich das Beschäftigungswachstum verlangsamt, ist nicht genug für die (US-Notenbank) Fed, um drastische Änderungen an ihrer Politik vorzunehmen», warnte Analyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets vor zu viel Hoffnungen auf künftig weniger aggressive Zinsanhebungen im Kampf gegen die Inflation.
Die Fed hatte bisher die solide Beschäftigungslage in den Vereinigten Staaten als Argument benutzt, um mit historisch grossen Zinsschritten die rasante Teuerung in den Griff zu bekommen. Zu Wochenbeginn hatten indes schwache US-Konjunkturdaten für eine starke Kurserholung an der Wall Street gesorgt, da die Marktteilnehmer sogleich auf weniger starke Zinsschritte der Fed gehofft hatten. Doch Aussagen einiger US-Währungshüter hatten die Rally bereits zur Wochenmitte wieder zum Erliegen gebracht.
Schwache Signale kamen am Freitag aus dem Chipsektor. AMD-Aktien büssten als Schlusslicht im Nasdaq 100 knapp 14 Prozent ein und waren so günstig zu haben wie zuletzt im Juli 2020. Das Unternehmen verfehlte vorläufigen Zahlen zufolge im dritten Quartal die Markterwartungen deutlich. Vor allem auf dem Markt für PCs war die Nachfrage deutlich geringer gewesen.
Im Sog von AMD ging es auch für die Anteilscheine der Konkurrenz deutlich abwärts: So verloren Intel fast fünfeinhalb Prozent und Nvidia büssten acht Prozent ein. Die US-Investmentbanken JPMorgan und Goldman Sachs kürzten bereits ihre Kursziele für einige Chipwerte und senkten ihre Schätzungen. Den Experten macht bei AMD unter anderem der forcierte Abbau der Lagerbestände bei den Kunden Sorgen.
Derweil bahnt sich im Gesundheitssektor eine Übernahme an. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete unter Berufung auf Insider, dass die Apothekenkette CVS Health mit dem Gesundheitsdienstleister Cano Health exklusive Gespräche über dessen Übernahme führe. Allerdings soll der Gesundheitsdienstleister Humana im Jahr 2019 ein Vorkaufsrecht vereinbart haben für den Fall, dass Cano einen Interessenten findet. Bei den CVS-Anlegern kamen die Pläne nicht gut an: Die Aktien rutschten um 10,5 Prozent ab. Cano sprangen hingegen um neun Prozent hoch. Humana legten um 0,8 Prozent zu.
Der Euro setzte seine Talfahrt nach dem US-Arbeitsmarktbericht fort. Im New Yorker Handel kostete die europäische Gemeinschaftswährung zuletzt 0,9738 US-Dollar – vor den Daten hatte sie noch über 0,98 Dollar notiert. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 0,9797 (Donnerstag: 0,9860) Dollar festgesetzt. Der Dollar hatte damit 1,0207 (1,0141) Euro gekostet.
Auch die Kurse von US-Staatsanleihen standen angesichts der guten heimischen Beschäftigungslage sichtbar unter Druck. Der Terminkontrakt für zehnjährige Treasuries (T-Note-Future) fiel zuletzt um 0,45 Prozent auf 111,44 Punkte. Im Gegenzug stieg die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen auf 3,88 Prozent. Sie blieb damit aber unter ihrem Ende September erreichten Zwölfjahreshoch von rund vier Prozent. (awp/mc/ps)