New York – Aus Enttäuschung über mangelnde Impulse von Seiten der US-Notenbank (Fed) ist die Wall Street am Mittwoch auf Talfahrt gegangen. Börsianer verwiesen auch auf zuletzt gestiegenen Sorgen, dass Aktien nach der jüngsten Rekordrally allgemein inzwischen zu hoch bewertet seien. Die wichtigsten US-Börsenindizes sackten damit zwischen 2,1 und 2,8 Prozent ab.
Der Leitindex Dow Jones Industrial verlor 2,05 Prozent auf 30’303,17 Punkte. Der marktbreite S&P 500 brach um 2,57 Prozent auf 3750,77 Punkte ein. Beide Standardwerte-Indizes liegen damit seit Jahresanfang gerechnet wieder im Minus. Für den technologielastigen Nasdaq 100 ging es um 2,80 Prozent auf 13’112,65 Punkte nach unten. Dessen bisherige Jahresbilanz weist noch ein Plus von knapp 2 Prozent aus.
Die Fed hatte nach ihrer ersten Sitzung des laufenden Jahres mitgeteilt, den Leitzins zwischen 0 bis 0,25 Prozent zu belassen. Börsianer zeigten sich enttäuscht, dass Notenbankchef Jerome Powell angesichts der Virus-Pandemie keine neuen Hilfen für die Wirtschaft versprochen hat.
Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners schrieb zudem, dass die Fed eine Verlangsamung der wirtschaftlichen Erholung sehe. Dies sei zwar per se schlecht für den Aktienmarkt, sollte aber nicht wirklich überraschen. Schliesslich hätten die wirtschaftlichen Indikatoren zuletzt wieder mehr nach unten gezeigt.
Im Mittelpunkt standen ansonsten zur Wochenmitte durchwachsene Reaktionen auf Quartalsberichte, aber auch die anhaltenden Verwerfungen bei Aktien, die bislang bei Short-Spekulanten beliebt waren. So galt es, gute Zahlen von Microsoft zu verwerten. Der Softwareriese hatte im vergangenen Quartal vor allem dank eines starken Cloud-Geschäft die Erwartungen deutlich übertroffen. Für Anleger sei dies eine willkommene Überraschung, sagte Analyst Raimo Lenschow von der Barclays Bank. Er sieht in Microsoft eine Art Pflichtinvestition in einem volatilen Jahr. Die Aktien stiegen in dem sehr schwachen Umfeld um 0,3 Prozent.
An der Dow-Spitze bauten die Papiere von 3M ihre Kursgewinne vom Vortag deutlich aus und zogen um rund sechs Prozent an. Der Mischkonzern hatte am Dienstag mit einer zuletzt über den Erwartungen liegenden Geschäftsentwicklung positiv überrascht. Nun schrieben die Analysten von JPMorgan, die Anteilscheine seien «zu niedrig bewertet, um sie weiter ignorieren zu können».
Am Dow-Ende verloren die Anteilscheine von Boeing rund vier Prozent. Die Corona-Krise, das Debakel um den Absturzjet 737 Max und neue Verzögerungen beim Grossraumjet 777X hatten dem Flugzeugbauer 2020 einen Rekordverlust eingebrockt.
Im zuletzt heiss gelaufenen Tech-Sektor nahmen Anleger derweil bei einigen Werten Gewinne mit. Wie es hiess, setzten sie eher auf zuletzt unterdurchschnittliche Werte. Die Chipkonzerne AMD und Texas Instruments hatten zwar optimistische Ausblicke abgegeben, für die Aktien ging es aber um 6,2 respektive 5,0 Prozent bergab.
Die grössten Schlagzeilen aber machten weiter die Achterbahn-Aktien des in Schieflage befindlichen Computerspiel-Händlers Gamestop, die seit Tagen dem Kräftemessen zwischen sogenannten Short-Spekulanten und ihren Gegnern ausgesetzt sind. Letztere sollen sich zuletzt in Internet-Foren mobilisiert haben, am Mittwoch sassen sie weiter am längeren Hebel.
Unter den Short-Sellern als «Opfern», die auf sinkende Kurse gesetzt haben, fiel zuletzt vor allem der Name des Hedgefonds Melvin Capital. Laut Aussagen eines Managers gegenüber dem Fernsehsender CNBC hat dieser seine Short-Positionen in Gamestop inzwischen komplett geschlossen. Der sprunghafte Anstieg der Papiere ist aber vorerst noch nicht zu Ende: Die Anteilscheine waren auf ein Rekordhoch von 380 Dollar geschnellt und schlossen 135 Prozent im Plus.
Eindeckungskäufe von Short-Sellern trieben auch die Aktien der kürzlich noch als Pleitekandidatin gehandelten weltgrössten Kinokette AMC in astronomische Höhen. Hier stand am Ende ein Plus von 301 Prozent zu Buche.
Am Devisenmarkt geriet der Euro unter Druck und notierte zuletzt bei 1,2112 US-Dollar. Für Belastung sorgten Aussagen von EZB-Ratsmitglied Klaas Knot. In einem Interview mit dem Fernsehsender Bloomberg TV machte der Gouverneur der Notenbank der Niederlande deutlich, dass die Europäische Zentralbank über Instrumente verfüge, die man falls notwendig gegen einen zu starken Kursanstieg des Euro einsetzen könnte. Die EZB setzte den Referenzkurs auf 1,2114 (Dienstag: 1,2143) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8254 (0,8235) Euro.
Der Terminkontrakt für zehnjährige Treasuries (T-Note-Future) stieg angesichts der Talfahrt am Aktienmarkt um 0,12 Prozent auf 137,54 Punkte. Die Rendite der zehnjährigen Anleihe sank im Gegenzug auf 1,01 Prozent. (awp/mc/ps)